Für polnische Polizeischüler ist Queersein ab jetzt eine Störung

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Ein neues Lehrbuch für Polens Polizeibeamt*innen erregt die Gemüter. In dem Buch „Patologie społeczne, wybrane zagadnienia“ (dt: Soziale Pathologien, ausgewählte Themen) werden LGBTIQ*s als Form der „sozialen Pathologie1“ bezeichnet – neben anderen Beispielen wie Drogensucht oder Betteln. Besonders die Trans*-Community und nicht-binäre Menschen werden hervorgehoben. Aus dem polnischen Parlament kommt starker Gegenwind.

Foto: Bartek Kuzia - Partia Razem / CC BY 4.0 / wikimedia.org

Das Lehrbuch wurde kürzlich von einem Ausbildungszentrum der Polizei in Legionowo veröffentlicht – zum Glück nicht unbemerkt. Auf einer Pressekonferenz im polnischen Parlament Sejm forderte Agnieszka Dziemianowicz-Bąk, Abgeordnete der linken Partei Lewica, letzte Woche Antworten von Polizeichef Jarosław Szymczyk. Sie drückte ihr Entsetzen über das Buch aus:

„Ich möchte betonen, dass die LGBTQ-Gemeinschaft weder eine Ideologie ist, noch ist sie eine Pathologie - das sind Menschen. Das sind Menschen, die Schaden, Gewalt und Diskriminierung ausgesetzt sind.“

Die Polizei sei verpflichtet, alle Bürger*innen zu schützen – unabhängig davon, wer sie sind. Daher sei es, so die Politikerin, absolut inakzeptabel, dass die Polizei Menschen diskriminiere. Sie forderte den Polizeichef und den Kommandanten des Ausbildungszentrums auf, genau zu erklären, wie das Handbuch entwickelt wurde und wie es jemals zur Verwendung freigegeben werden konnte. Außerdem fragte sie nach Kriterien für die Zulassung von Lehrbüchern und wen es eigentlich interessiere, wie zukünftige Polizist*innen ausgebildet würden.

„Ist es so, dass jede Organisation oder Person in das Ausbildungszentrum der Polizei kommen kann, irgendein Stück Papier auf den Tisch legen kann, das Müll oder schädliche Fake News enthält, und von diesem Stück Papier werden zukünftige Polizisten lernen?“


Zukunft: Anti-Diskriminierung statt Hass

Für die Zukunft malt Dziemianowicz-Bąk ein düsteres Bild. In einer Zeit, in der in Polen queere Menschen und andere Minderheiten bereits auf höchster politischer Ebene diskriminiert werden, betont sie: Es geht auch immer noch schlimmer. Institutionen wie das Ausbildungszentrum seien verantwortlich für das, was in Zukunft auf den Straßen Polens passieren wird, wenn nicht-heteronormative Personen polizeilichen Eingriffen ausgesetzt sein werden.

Foto: Piotr Drabik / Flickr: Policja podczas zamieszek / CC BY 2.0 / wikimedia.org

Rückendeckung bekam sie von Lewica-Chef Krzysztof Gawkowski. Er betonte, dass Transgender-Identitäten nichts mit Krankheiten zu tun hätten. Polnische Polizist*innen müssten dieses Wissen vermittelt bekommen und es tief verinnerlichen. Die Polizei in Polen sollte das höchstmögliche Niveau der Ausbildung für die Beamt*innen anstreben. Dieses Lehrbuch sei das Gegenteil einer solchen Ausbildung – denn es schüre Hass, statt ihn einzudämmen. Er erklärte, was für die Zukunft des Landes elementar sei:

„Jeder Beamte sollte ein Antidiskriminierungstraining absolvieren, in dem auf Hassreden und Pathologien hingewiesen wird und die Haltung der Polizisten darauf ausgerichtet ist, sich auf die Seite der Schwächeren, Ausgegrenzten und Beschimpften zu stellen.“

Polizeichef Szymczyk hat noch nicht öffentlich auf die Vorwürfe der Lewica Partei geantwortet.

1Der deutsche Sozialphilosoph Axel Honneth prägte den heute häufig in der Sozialwissenschaft genutzten Begriff „soziale Patholgie“ in seinem 1994 erschienenen Aufsatz „Pathologien des Sozialen: Tradition und Aufgabe der Sozialphilosophie“. Darin definierte er soziale Pathologien als Fehlentwicklungen bzw. Störungen der sozialen Bedingungen individueller Selbstverwirklichung.

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