Schwulenverfolgung via Grindr: Polizeiskandal in den USA

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Im US-Bundesstaat Georgia wurden neun Männer festgenommen, nachdem die Polizei sie unter anderem auf Grindr ins Visier genommen hatte. Die Namen der Männer wurden anschließend in Zeitungen veröffentlicht. Queeraktivisten sprechen von katastrophalem Fehlverhalten und Prioritäten aus einer anderen Ära.

Die Festnahmen wurden zwischen dem 2. und 4. März vom Sheriff-Büro des Bezirks Dawson County im Norden von Georgia getätigt. Die Männer im Alter zwischen 23 und 50 Jahren wurden im Folgenden angeklagt – die Vorwürfe reichen von Ordnungswidrigkeiten bis hin zu Straftaten, darunter Prostitution, Behinderung der Justiz und Besitz sowie Internet-Handel von und mit Methamphetamin und Marihuana.

Einer der neun Männer berichtete gegenüber dem in Atlanta ansässigen Queermagazin Project Q anonym, er sei schwul und auf Grindr ins Visier der Polizisten geraten. Er widersprach der Darstellung von Sergeant W. Dereck Johnson in seinem Haftbefehl. Der Polizist hatte behauptet, der Festgenommene habe ihm auf Grindr einen Akt der Prostitution im Austausch gegen Marihuana angeboten. 

Foto: Dawson County Sheriff's Office / Facebook

In Screenshots, die der Betroffene dem Project Q zur Verfügung stellte, wurde deutlich, dass Sergeant Johnson unter dem Nicknamen Charlie[looking for]420 den Chat initiiert und angeboten hatte, ein Hotelzimmer für ein Treffen zu besorgen. Als der Mann Johnson erzählte, dass er Marihuana habe, hatte der Polizist ihn gefragt, ob er teilen wolle – und geschrieben: „Ich will mich zudröhnen und ficken“. Der Betroffene habe daraufhin lediglich erwidert: „Daran ist nichts auszusetzen.“

Nun wurde er angeklagt – wegen des Begünstigens von Prostitution, des Besitzes von weniger als einer Unze Marihuana und eines Straftatversuchs. Nach den Festnahmen wurden Namen, Fotos und in einigen Fällen auch Arbeitgeber der neun Festgenommenen in einer Lokalzeitung in Dawsonville abgedruckt.

Dem Polizeibericht über den Vorfall kann man keine Einzelheiten über die anderen Festnahmen entnehmen. Auch berichtet Project Q, Sheriff Jeff Johnson habe nicht auf Nachfragen geantwortet, ob alle verhafteten Männer Sex mit anderen Männern gesucht hatten und welche Apps bei der Undercover-Operation benutzt wurden.


In welchem Jahrzehnt befinden wir uns?

Foto: pxhere.com / CC0

Normalerweise kennt man derlei News aus queerfeindlichen Ländern, in denen die Datensicherheit solcher Apps ein hohes Risiko für die Community darstellt, da Behörden, Polizisten und Privatpersonen die Apps nutzen, um queere Menschen auszuspionieren und in die Falle zu locken. 2019 führte diese Masche zu mindestens dreizehn Festnahmen in Ägypten (wir berichteten)

Gregory Nevins, Anwalt der US-amerikanischen Bürgerrechtsorganisation Lambda Legal, die durch juristischen Beistand, Aufklärung und Öffentlichkeitsarbeit für die Queercommunity kämpft, zeigte sich gegenüber Project Q entsetzt. Nachdem er die Screenshots sichtete, erklärte er, der Fall sei vor Gericht nicht haltbar – für eine Prostitutions-Anklage müsse der angebliche Sexarbeiter deutlich machen, dass ohne den Austausch von Geld oder Gegenstand kein Sex stattfinden würde. Dies sei hier nicht passiert.

Doch Nevins geht noch weiter – er bezeichnete die gesamte Undercover-Aktion als katastrophales Fehlverhalten. Diese Art der Verhaftung gehe laut Nevins auf andere Fälle von Strafverfolgung zurück, die sich gegen schwule Männer richteten. Das seien die Prioritäten einer anderen Ära, die die letzten zwanzig Jahre verpasst habe, so der Anwalt. Er führte aus:

„Früher hieß es immer, wir müssten das Cruising in Parks stoppen, weil sich in den Parks Kinder befinden. Aber nun sucht man bei Grindr gezielt nach einem Problem, das gar nicht diesen Nebeneffekt hat. Die Plattform ist in eine andere Arena umgezogen, worüber sie sich freuen sollten, wenn es wirklich ihre einzige Sorge war, dass ihre Kinder versehentlich diesen Dingen ausgesetzt sind.“

Laut Nevins habe die Polizei ihren Eid verletzt – es habe nichts mit dem Leitspruch „zu schützen und zu dienen“ zu tun, wenn man Menschen verfolge und einsperre, die niemandem schaden würden, statt sich um die wirklich schwerwiegenden Straftaten zu kümmern. Solche Operationen tragen einen nicht unerheblichen Teil zur oft beklagten Überlastung US-amerikanischer Gefängnisse bei, warf der Anwalt der Polizei von Georgia vor.

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