Viktor Orbán streicht staatliche Anerkennung von Transsexuellen

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Foto: Kremlin.ru / CC-BY 4.0 / wikimedia.org

Am Montag stimmte das ungarische Parlament zu, Viktor Orbáns ohnehin schon starke Befugnisse zu erweitern, indem es ihm das Recht einräumte, auf unbestimmte Zeit per Dekret zu regieren. Das bedeutet, Viktor Orbán muss andere Gesetzgeber nicht mehr konsultieren, um Entscheidungen zu treffen. 

Transsexuelle werden nicht mehr anerkannt

Als eine seiner ersten Handlungen entschloss sich Orbán kurzerhand, die Grundrechte für transsexuelle Menschen einzuschränken. Das Corona-Notstandsgesetz trat am Montag in Kraft, bereits am Dienstag – dem „Trans* Day of Visibility“ – legte Ungarns stellvertretender Ministerpräsident, Zsolt Semjén, dem Parlament einen umfassenden Gesetzesentwurf zur Aussetzung der rechtlichen Anerkennung des Geschlechts vor.

Die Gesetzesänderung sieht vor, dass in allen im Land ausgestellten Rechtsdokumenten, also in Personalausweisen, Führerscheinen und Reisepässen, das „Geschlecht“ durch das „Geschlecht bei Geburt“ ersetzt wird. Somit wäre es ungarischen Bürger*innen nicht mehr möglich, ihr Geschlecht legal ändern zu lassen, was eine erhebliche Einschränkung der Trans*-Rechte darstellt.

In der Begründung des Gesetzentwurfs heißt es: „Das in das Standesamt eingetragene Geschlecht basiert auf Tatsachen, die von Ärzten ermittelt und vom Register deklariert wurden.“ Und weiter: „Da es unmöglich ist, das biologische Geschlecht vollständig zu ändern, muss gesetzlich festgelegt werden, dass es auch nicht im Standesamt geändert werden kann.“

„LGBTI Intergroup“ des Europäischen Parlaments protestiert

Philippe BUISSIN

Scharfe Kritik kam umgehend aus Brüssel, ob eine Reaktion der Kommission folgt, ist zurzeit noch unklar. 

„Dieser Angriff auf die Trans-Community erfolgte gezielt und mit voller Absicht. Seit 2016 werden in Ungarn gesetzliche Verfahren zur Änderung des Geschlechts verlangsamt. Seit 2018 wurden alle Verfahren zur Änderung des Namens oder des Geschlechts de facto ausgesetzt. Am 31. März, dem Tag der Transgender Sichtbarkeit, wurde nun beschlossen, Verfahren zur Personenstandsänderung generell zu verbieten. Dieser Versuch Trans* und gender-nonkonforme Menschen zum Schweigen zu bringen, ihre Existenz gar ganz zu leugnen, ist absolut inakzeptabel.“

Marc Angel MdEP, Co-Präsident der „LGBTI Intergroup“ im Europäischen Parlament  

„Orbáns jüngster Schritt ist schockierend, aber nicht überraschend. In Ungarn wird der Rechtsstaat mehr und mehr außer Kraft gesetzt. Die LGBTI-Community ist kontinuierlichen Angriffen ausgesetzt, die Zivilgesellschaft wird systematisch unterdrückt. Die Möglichkeit einer legalen Anerkennung des Geschlechts ist die Grundlage für den Schutz von Trans* und gender-nonkonforme Menschen. Ohne diesen Zugang sind sie Diskriminierung und Schikanen ausgeliefert. Die Europäische Gemeinschaft muss sicherstellen, dass dies nicht ungestraft bleibt.“

Terry Reintke MdEP, Co-Präsidentin der „LGBTI Intergroup“ im Europäischen Parlament

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