KOMMENTAR: Franziskus über Franziskus

Eben noch hatte ich eine Wette abgeschlossen, so sicher war ich mir: Der Papst wird morgen gewählt! In diesem Moment begannen katholische Glocken zu läuten, am Abend des 13.3.13. 19:13 Uhr. Der Rauch weiß. Alle Spekulationen im Vorfeld über mögliche Kandidaten versagten. Ein Argentinier sollte es sein. Habemus Papam Franziscum.

Bescheiden, schüchtern tritt er auf. Die roten Schuhe bleiben im Schrank, auch die Pelzmütze seines strengen deutschen Vorgängers. Franziskus beruft sich auf den Heiligen von Assisi. Revolutionär diese Namenswahl, der Namensgeber war alles andere als konservativ. Er stellte vieles in Frage und verstand Jesu Ruf radikal: Arm, konsequent, entschieden. Er legte sich mit den Reichen und der kirchlichen Obrigkeit an.

Auch Papst Franziskus will eine Kirche für die Armen und für den Frieden. Friede ist Teilhabe, Gerechtigkeit und Chancen für alle Menschen. Dazu gehört für mich die Akzeptanz von Diversität.

Argentinien hat nach langer Diktatur aufgeholt. Das Land ist demokratisiert. Besonders der rechtliche Umgang mit der Intersexualität ist weltweit einmalig und vorbildlich. Darauf sind die Regierenden zu Recht stolz. Und: Die Homoehe ist eingeführt. Als der Papst noch Erzbischof war, hat er bei seiner Regierung gegen derlei Neuerungen protestiert. So etwas sei gar vom Satan. Homophobie hat viele Gesichter, sie kann Soutane und Kollar tragen.

Der Heilige Geist stiftet die Liebe, glauben Christen. Wer von Gott und seiner Barmherzigkeit spricht, aber die Liebe verteufelt, der hat ein Glaubwürdigkeitsproblem. Der anglikanische Bischof Desmond Tutu sagte: Es gibt so viele Themen, die geradezu nach Aufmerksamkeit schreien. Und hier stehen wir und verschwenden unsere Kraft an einer künstlich aufrecht gehaltenen Obsession. Würde die Kirche all die anderen Probleme mit der gleichen Kraft bekämpfen, wie die Anliegen der Homosexuellen, so wäre dies eine bessere Welt.

Nicht nur solange die Selbstmordrate insbesondere homosexueller Jugendlicher weltweit so furchtbar hoch ist, bete ich für eine Kirche, die annimmt, statt Menschen in verschiedene Wertigkeiten zu unterteilen. Die Kirche ist für mich Mut machende Anwältin der Liebe, so verstehe ich die christliche Botschaft. Wo Menschen füreinander einstehen wollen, da segnet sie. Eine nahrhafte Kirche mit frischem Brot, Zuversicht, voller Güte und Großmut, nicht nur für heterosexuell Liebende. Kann Franziskus mit anderen Schuhen echte neue Wege gehen?

Was diesen Papst angeht, werde ich nicht mehr wetten. Doch werde ich hoffen. Kirche ist nicht nur Rom. Kirche ist da, wo Menschen auf Gott hoffen, die Botschaft Jesu verstehen wollen, wo Beistand und Hilfe ist. Über dieser Kirche steigt jeden Tag weißer Rauch auf. Hier entscheidet man sich immer wieder neu für das Leben. Und für die Liebe.

BRUDER FRANZISKUS IST PRIOR DES ROGATE-KLOSTERS ST. MICHAEL ZU BERLIN.

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