LSVD Berlin Brandenburg arbeitet mit AfD zusammen?

by

LSVD-Chef Jörg Steinert ist Kommunikationsprofi. Zurzeit trägt er einen Streit mit der Gleichstellungsbeauftragten des Bezirksamtes Spandau aus. Mit Hilfe einer Medienstrategie, die wir von Rechtsaußen kennen. Sogar die AfD holt er sich mit ins Boot. Die Geschichte eines Skandals, der ein ganz anderer ist, als die bisherigen Berichte vermuten lassen.

Ein bei B.Z. und bild.de veröffentlichter Kommentar von Kolumnist Gunnar Schupelius unterstellt der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten des Bezirksamt Spandau Juliane Fischer, sie hätte Jörg Steinert von der Regenbogenfahnenhissung am 4. Juli ausgeladen, weil dieser sich mit US-Botschafter Richard Grenell ablichten ließ.

Das ist inhaltlich falsch und in der Art und Weise der Darstellung und Verbreitung durch Steinert über offizielle Social-Media-Kanäle des LSVD Berlin Brandenburg und des Bündnis gegen Homophobie mutmaßlich eine bewusste Täuschung der Öffentlichkeit. 

Keine Einladung und keine Ausladung

Die übliche Vorgehensweise des LSVD BB bei den inzwischen über ein Jahrzehnt praktizierten Hissungen der Regenbogenfahnen in den meisten Bezirken, ist eine aktive Selbsteinladung durch den LSVD bei den Berzirksämtern, sobald die Renbogenfahnenhissungs- und Regenbogenkuchenanschnittsaison beginnt. Ihr wurde seitens des Bezirksamtes auch entsprochen.

Im Zuge der Klärung der Einzelheiten zum Besuch Steinerts, kam es durch Juliane Fischer am 26. Juni zu einer Email mit drei kritischen Fragen, die aus der Community an sie herangetragen wurden. Eine Ausladung, wie von Schupelius bereits am 27. Juni behauptet, enthielt die Email nicht. Auch die Zuspitzung und Reduzierung auf das Foto mit Richard Grenell, die erst Schupelius und am 1. Juli Frank Bachner im Tagesspiegel vornehmen, ist entweder mangelnder Quellenlage geschuldet, oder bewusste Weglassung von Kontext. 

Die Wahl der Waffen und Verbündeten

Besagter Emailverkehr war bis zu diesem Zeitpunkt eine Kommunikation zwischen Jörg Steinert und Juliane Fischer. Inhaltlich darf sich Jörg Steinert selbstverständlich angegriffen fühlen. Alle drei Fragen Fischers zielten auf wunde Punkte, die in den letzten beiden Jahren die Integrität des LSVD BB in Frage stellten und für viel Wirbel im politisch bewegten Teil der queeren Community Berlins sorgten. Steinert fiel dabei nicht als souveräner Krisenmanager auf, sondern verstieg sich mehrfach in eskalierende Maßnahmen: 

  1. Das Foto mit Grenell (Dirk Ludigs kommentiert)
  2. Der Umgang mit dem Gedenken an lesbische Opfer des Nationalsozialismus im KZ-Ravensbrück (blu Bericht)
  3. Der Umgang mit Mitarbeiter*innen des LSVD BB Bildungs- und Sozialwerkes (blu Bericht)

Auch dieses Mal wählte Jörg Steinert wieder die Eskalation und antwortete nur wenige Stunden nach Erhalt der Email mit einer wütenden Beschwerde.

Diese richtete er nicht etwa - und jetzt wird es bizarr - an Frau Fischer und ggf. ihren Vorgesetzten Bezirksbürgermeister Helmut Kleebank (SPD), sondern auch an die US-Botschaft in Berlin und vier Stadträte der Bezirksversammlung Spandau. Unter ihnen namentlich und persönlich: Andreas Otti von der AfD. 

Die Geister, die er rief

Wie die Causa zu Gunnar Schupelius gelangte, so dass dieser nur rund 20 Stunden später seinen Kommentar veröffentlichen konnte, ist zurzeit nicht endgültig geklärt. Die Tatsache, dass Schupelius aber aus einer offenbar von Juliane Fischer an Jörg Steinert gesendeten Antwort zitiert, lässt auf eine direkte Kommunikation zwischen Steinert und Schupelius schließen.

Bekannt ist auch, dass Jörg Steinert den inhaltlich dünnen Artikel umgehend nutzte, um sich als Opfer eines, Zitat Steinert, „Gesinnungstestes" darzustellen. Eine Korrektur oder Ergänzung des Sachverhaltes unterließ er dabei bis heute, viel mehr sonnt er sich im Ergebnis einer Umfrage, die unter dem Schupelius-Kommentar durchgeführt wird:

Ebenfalls aktiv wurde die Fraktion von Stadtrat Otti. Inzwischen ist eine kleine Anfrage eingegangen. Im Bezirksparlament von Spandau. Von der AfD.

Die offen emanzipationsfeindliche Partei, deren einzig wahrnehmbarer Einsatz für queere Fortschritte bisher darin besteht, Homophobie ausschließlich Muslimen zuzuschreiben, ist Stand heute also politischer Partner des LSVD BB im Kampf gegen eine vermeintliche Gesinnungsprüfung zur Flaggenhissung.

Populistische Überschrift!*

Ja, absolut. Denn bisher gibt es keinen Beweis einer direkten Zusammenarbeit zwischen dem Geschäftsführer und Pressesprecher des LSVD Berlin Brandenburgs Jörg Steinert und der AfD. Durch die Wahl seiner Adressaten hat er aber bewusst und billigend eine Nutzung der von ihm zielgerichtet gestreuten Informationen durch die homofeindlichen Rechtsnationalisten in Kauf genommen. Genauso wie er in Kauf nimmt, dass sich ein ungerechtfertigter, frauenfeindlicher und ehrabschneidender Shitstorm, aus und angefacht durch eine rechtskonservative Medienecke, über eine profilierte Angestellte des Bezirksamtes Spandau ergießt, der für diese existenzbedrohend ist.

Eine schriftliche Anfrage der blu Redaktion beim LSVD BB vom 1. Juli ist bisher unbeantwortet geblieben. Der LSVD Bundesverband dagegen reagierte mit einer schriftlichen Stellungnahme:

„Der LSVD-Bundesvorstand bedauert die öffentliche Auseinandersetzung zwischen der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten des Bezirks Spandau Juliane Fischer und dem Geschäftsführer des LSVD Berlin-Brandenburg Jörg Steinert im Zusammenhang mit dem Hissen der Regenbogenflagge. Für uns als Bundesvorstand gehört zur Professionalität und gutem Stil dazu, immer zuerst das persönliche Gespräch zu suchen und auch auf vielleicht als unberechtigt empfundene Kritik souverän und verantwortungsvoll zu reagieren, vor allem wenn die Kommunikation im bilateralen, nicht-öffentlichen, Mailverkehr gesucht wurde. Nach unserer Ansicht ist das hier zum Schaden aller Beteiligten versäumt worden. Das haben wir auch dem Vorstand des LSVD Berlin-Brandenburg sowie seinem Geschäftsführer Jörg Steinert mitgeteilt.“


Aktualisierungen

*In der ersten Version dieses Artikels enthielt die Überschrift kein Fragezeichen. Autor Christian Knuth empfand sie dadurch zu sehr den von Steinert und Schupelius genutzten Medienmechanismen zur Empörungsmaximierung entsprechend. Inhaltlich ändert sich dadurch die absichtliche Kontaktaufnahme mit der AfD durch Steinert selbstverständlich nicht. 


Back to topbutton