Erika Steinbach bei Kurt Krömer: Schwule Eltern erhöhen Missbrauchsrisiko

by

„Chez Krömer“ ist eine Talkshow des RBB, zu der der Satiriker Kurt Krömer Gäste in ein Verhörzimmer lädt, um sie mit Berliner Schnauze auseinanderzunehmen. Das gelang mit Erika Steinbach recht gut, beim Thema Adoption durch Schwule fehlte aber Aufklärung.

Eine halbe Stunde haben die Gäste jeweils Zeit, um gegenüber Gastgeber bzw. Verhörleiter Krömer am kargen Behördentisch zu vorgebrachten Themen Stellung zu beziehen. Explizit werben Krömer und die produzierende Fernsehproduktion probono TV damit, dass bevorzugt auch Gäste eingeladen werden, die Krömer nicht mag. 

So auch beim politischen Höhepunkt der zweiten Staffel, des gerade erst mit dem Grimme Preis 2020 in der Kategorie Unterhaltung ausgezeichneten satirischen Talk-Formates**. Zu Gast: die Grand Dame des gediegenen Rechtsextremismus und Altmeisterin des mausgerutschten Geschichtsrevisionismus in 140 Zeichen, Erika Steinbach. 


Mit Rechten reden? Krömer kann's!

Foto: rbb/André Fiebig

Die dreißig Minuten forderten von Team und Moderator höchstes Können und Vorbereitung und sie lieferten. Auf lange Sicht wird dieser Talk neben dem abgebrochenen Höcke-Interview des ZDF wohl als solitäres Beispiel dafür herhalten müssen, wie – wenn man das unbedingt versuchen möchte – ein Gespräch mit Populisten überhaupt funktionieren kann.

Ob Umvolkung, Asyltourismus oder linksgrünversiffte Kommunisten: Krömer schafft es virtuos, Steinbach mit den Triggerthemen der neuen Rechten zu konfrontieren und dabei weder das Framing von AfD, Werteunion und Co selbst zu verwenden, noch sie mit ihren weichgespülten Rechtfertigungsverdrehungen davonkommen zu lassen. Akribisch entzaubert er die gewohnt mondän-mütterlich tuende Hardcore-Demagogin mit einer Mischung aus gewolltem Missverständnis und frecher Umdeutung des Gesagten, um ihr dann nach einer perfekt gesetzten Pause eines der wohl gnadenlosesten Psychogramme der Talkshow-Geschichte um die Ohren zu pfeffern:

Foto: rbb/André Fiebig

„43 Jahre waren Sie in der CDU gewesen, da ist nichts passiert. Da haben Sie anscheinend keine Karriere gemacht, keiner hat sie gefragt nach irgendwelchen Ratschlägen. Und irgendwann ist man dann verbittert, ne?  Und dann guckt man sich an, was kann ich machen? Wie kann ich da noch mal auf dem Tisch hauen. Dann pick ich mir mal Flüchtlinge raus, wetter mal gegen Ausländer und irgendwelche paar verlorene Schäfchen, die die Herde verlassen haben, die werden mir schon zuklatschen. ... Sie sind verbittert. Sie sind richtig verbittert.“

Im anschließenden Schlagabtausch wird Krömer noch direkter und erklärt Steinbach, warum er sie eingeladen habe. Um zu verstehen, warum sie öffentlich Aussagen macht, die ihn als Menschen mit Empathie anekeln. Warum, fragt er sie fordernd, sie nicht endlich „den Sack zumacht“ und in die AfD eintritt. Das Herumlavieren sei „weder Fisch noch Fleisch“: 

„Man, es kotzt mich an. Es widert mich an. ... Einerseits, ... aber anderseits sind Sie eine tragische Person. Sie tun mir leid.“ 


Schwerste Homohetze als Schlussakkord der Sendung

Gegen Ende der Sendung, die erstaunlicherweise nach diesem furiosen Seelenstrip nicht abgebrochen wird, konfrontiert Krömer Steinbach mit einem Tweet aus dem Jahr 2017, in dem diese die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare in direkte Verbindung mit Kindesmissbrauch stellt. 

Davon weicht Steinbach auch jetzt keinen Millimeter ab. Im Gegenteil versteigt sie sich in widerlegte, pseudowissenschaftliche Thesen, die von christlich-reaktionären Stichwortgebern der „Demo für alle“ wie Hedwig von Beverfoerde und Gabriele Kuby und ihren politischen Vertretern wie Beatrix von Storch zur Diffamierung von Regenbogenfamilien und Homosexuellen immer wieder bemüht werden: In schwulen Partnerschaften sei die Gefahr von pädophilem Missbrauch höher, als bei heterosexuellen Eltern:

„Also wenn Kinder zur Adoption in gleichgeschlechtlicher Gruppierung gegeben werden – ich habe mich lange mit Pädophilie beschäftigt – und inzwischen ist ja auch einiges hier in Berlin aufgekommen, was das bestätigt; und vor dem Hintergrund sage ich, muss man hellwach sein, weil das ein Thema ist, was in dieser Gesellschaft verbreiteter ist, als man es sich überhaupt vorstellen kann.“ 

Leider stellt Krömer diese ungeheuerliche Abwertung schwuler Eltern nicht komplett richtig, sagt sogar, dass „sowas vorkomme“, wobei er dies auf sexuellen Missbrauch ganz allgemein bezog. Auf diesen lenkt er seine Gegenargumentation und fragt, ob die lesbische Alice Weidel besser auch keine Kinder haben sollte. Krömer ist bereits im Sendungsschluss-Modus. Steinbach wird als nicht mehr für voll zu nehmende Gesprächspartnerin abkanzelt. Daran, dass Krömer Steinbachs Theorien für steinzeitlichen Unsinn hält, lässt er trotz Verzicht auf direkte Widerrede keinen Zweifel. 

Prädikat absolut sehenswert!


**Ausgezeichnet: Grimme Preis für Chez Krömer

„Chez Krömer“ ist mit dem Grimme Preis 2020 in der Kategorie Unterhaltung ausgezeichnet worden. Wir dokumentieren die Begründung der Jury auszugsweise, da sie vor der Sendung mit Erika Steinbach deren Verlauf recht gut vorrausah: 

„Wer zu Kurt Krömer in die Show kommt, kann sich niemals sicher sein. Ob Freund oder Feind – Krömer zerlegt sie alle im Kreuzverhör und entlässt sie erst nach einer halben Stunde als sehr durchsichtige Wesen aus der Talk-Haft. Krömer erweist sich dabei als Gastgeber von hoher Präsenz. ... Jeder Versuch des Gastes, sich auf seine gewohnten Verlautbarungswege zu begeben, wird von Krömer gnadenlos sabotiert. Schafft es trotzdem jemand, mal kurz die Worthoheit an sich zu reißen, dann feuert Krömer kurzerhand einen Einspielfilm ab, in dem nicht immer nur Gutes offenbart wird. Er bedient sich dabei offen und brutal aus einem Repertoire an Hinterlistigkeiten, federt seine journalistisch sauber recherchierten Attacken aber regelmäßig mit seinem bekannten Berliner Derbcharme ab. ...

In anderen Gesprächssendungen weiß man sowohl als Gast wie auch als Zuschauer meistens vorher, was man später bekommt. Bei „Chez Krömer“ ist nichts klar. Berechenbar ist da nur das Unberechenbare, die Gewissheit, dass meist alles anders kommt, als man vorher denkt. So etwas offenbart sich im deutschen Fernsehen sonst höchstens unter dem Mikroskop, bei „Chez Krömer“ ist es die gute Übung, die dieses Format und seinen Formatträger so herausragend macht.“

Die vollständige Jury-Begründung ist HIER zu lesen.

Back to topbutton