Kommentar: Ricky Martin ist nicht schwanger

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Die Freude über Nachwuchs ist die wohl größte, die Menschen erleben können. Auch schwulen Paaren wird sie dank liberaler Gesetze in immer mehr Ländern möglich. Etwas seltsam mutet es an, wenn dabei die Mutter komplett unsichtbar wird.  

Popstar Ricky Martin hat in der Dankesrede für den National Visibility Award der LGBTIQ*-Organisation Human Rights Campaign bekanntgeben, dass er sein viertes Kind erwarte. 

Martin und sein Ehemann Jwan Yosef haben zwei Zwillingssöhne (Matteo und Valentino) und eine neun Monate alte Tochter (Lucía), die alle über Leihmütter auf diese Welt kamen. Vermutlich werden diese von dem reichen Paar angemessen entschädigt worden sein, ob und wie Kontakt der Kinder zu den leiblichen Müttern besteht oder beiderseitig ermöglicht wird, ist nicht bekannt. Dies ist nach Gesetzeslage in Kalifornien, wo Martin lebt, auch eine private vertragliche Angelegenheit zwischen den Geschäftspartnern – oft wohlhabende schwule Paare –und einer Leihmutteragentur. Genau hier werden die ethischen Bedenken von Leihmutterschaftsgegnern schon anhand der Wortwahl sichtbar. 

Grafik: Fobos92 / CC BY-SA 4.0 / wikimedia.org


Ware Frau, Ware Kind 

Mutter und Kind werden juristisch objektiviert und zu einer Handelsware, bzw. zum Objekt eines Rechtsgeschäfts. Das Kindeswohl, sonst zentrales Kriterium für Entscheidungen über Adoptionen, medizinische Eingriffe etc. spielt rechtlich keine Rolle mehr, auch die austragende Frau verliert je nach Vertrag das Recht der Selbstbestimmung über ihren Körper. Weitreichende Entscheidungen, die Frauen sonst während oder kurz nach einer Schwangerschaft unter dem Eindruck einer für Dritte – und darunter insbesondere Männer – nicht beurteilbaren körperlichen Extremsituation treffen, werden bereits im Vorfeld reißbrettartig geplant, spätere Willensänderungen im Sinne des Auftraggebers ermöglicht. So ist es zum Beispiel weit verbreitet, dass der Besteller das Recht hat, bis zur gesetzlich zulässigen Grenze vom Vertrag zurückzutreten und die Leihmutter zur Abtreibung zu zwingen, während diese umgekehrt kein Recht hat, ihre Meinung zu ändern. 

Sichtbarkeit/Unsichtbarkeit

Foto: Taylor Hubbard

Nein. Ich möchte Ricky Martin und seinem Mann das Vaterglück nicht madig machen. Ich möchte hier auch keine Stellung für oder gegen Leihmutterschaften beziehen, ich fühle mich als Mann in dieser Frage leidlich inkompetent und überfordert. Was ich als schwuler Mann aber nicht akzeptiere, ist eine naiv erscheinende, tatsächlich aber real wirkende Vermännlichung der Schwangerschaft. Ausgerechnet auf einer festlichen Gala, die die Sichtbarmachung und Überwindung von Menschenrechtsverletzungen feiert, wird durch sprachliche Aneigung und Weglassen die auch in den USA alles andere als abgeschlossene Debatte über ein so komplexes menschenrechtliches Thema weggekuschelt? Ein explizites Frauenthema mit immensem gesellschaftlichen Konfliktpotential jovial patriachalisiert?

Bevor jetzt gewisse Leserkreise genervt die Augen verdrehen:

Neben dem Dank an Ehemann, Oma und die Kinder, wäre ein zusätzliches Danke an die austragenden Mütter völlig ausreichend gewesen, um dem Thema eine für einen solchen Rahmen angemessene Würdigung zuteil werden zu lassen. Denn so gerne er das vielleicht ja sogar wirklich gerne wäre: Ricky Martin ist nicht schwanger, eine Frau ist für ihn schwanger. 

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