Transgender: Der passende Ausweis kann Leben retten

by

Oft hindern bürokratische Hürden und nötige Operationen Trans*-Menschen daran, ihren Namen und ihre Ausweise angleichen zu lassen. Eine Studie aus den USA stellt nun fest: Die Teilnehmer mit passenden Dokumenten haben eine bessere psychische Verfassung und denken seltener an Selbstmord.

Die Ergebnisse wurden Anfang der Woche online im Forschungsmagazin The Lancet Public Health veröffentlicht. Bei der Studie, die von Forschern der Dornsife School of Public Health der Drexel University in Philadelphia, USA, durchgeführt wurde, wurden die Daten von 22.286 erwachsenen Trans*-Personen untersucht, die an Umfragen des US National Center for Transgender Equality teilgenommen hatten. 

Die Ergebnisse rütteln auf: Von den Trans*-Menschen, deren Unterlagen mit ihrem gefühlten Geschlecht übereinstimmten, waren 35% weniger von psychischen Problemen betroffen als bei den anderen Teilnehmern, bei denen die Dokumente gar nicht oder nur teilweise angeglichen waren. Und: In dieser Gruppe war der Anteil der Menschen, die im vergangenen Jahr einen Selbstmord in Erwägung gezogen hatten, um 22% höher. 

Demnach verbessert sich die psychische Gesundheit nachweislich, wenn Trans*-Personen ausweisende Dokumente und Geburtsurkunden besitzen, in denen das Geburtsgeschlecht nachträglich angeglichen wurde. Ayden Scheim, Hauptautor der Studie und Gastprofessor an der ausführenden Dornsife School in Philadelphia, erklärte: 

„Ausweise zu haben, die nicht widerspiegeln, wie man sich selbst sieht und wie man sich der Welt präsentiert, kann verwirrend sein. Es kann auch dazu führen, dass Menschen Belästigungen, Gewalt und Dienstverweigerungen ausgesetzt sind.“


Bürokratische Hindernisse mit schlimmen Auswirkungen

Foto: pixabay.com / CC0

Die rechtliche Grundlage zur Angleichung von Dokumenten ist auf der ganzen Welt unterschiedlich. In manchen Ländern müssen Trans*-Menschen viele Hindernisse überwinden, um endlich den passenden Ausweis zu bekommen – in anderen ist es gar nicht möglich. Da die Studie aus den USA kommt, nimmt Ayden Scheim besonders die Staaten hart ins Gericht. 

Die USA sind in dieser Sache tief gespalten. Während der Prozess zur Namens- und Personenstandsänderung in einigen Staaten beinahe problemlos möglich ist, müssen in anderen langwierige Gerichtsverfahren in Kauf genommen werden. In einigen Staaten müssen die Namensänderungen überdies in regionalen Tageszeitungen veröffentlicht werden. Und in Ohio und Tennessee ist es sogar unmöglich, die Geburtsurkunden ändern zu lassen – selbst nach erfolgter geschlechtsangleichender Operation. In Ohio läuft diesbezüglich gerade ein Rechsstreit. 

Oft müssen die Kosten des Verfahrens vom Antragssteller selbst übernommen werden: Für manche ein großes Problem. In der Studie wurde deutlich, dass Trans*-Personen mit Einkommen auf Armutsniveau viel häufiger keine passenden Ausweise haben. Die Ergebnisse der Untersuchung offenbaren, dass diese bürokratischen und finanziellen Hindernisse psychische Auswirkungen auf die Betroffenen haben. Scheim verdeutlicht: 

„Eine genaue Identifizierung sollte ein grundlegendes Menschenrecht sein. Während viele von uns dies als selbstverständlich ansehen, kann die Erlangung von Ausweisen für Trans*-Personen sehr schwierig sein. Dies ist ein Bereich, in dem greifbare und relativ einfache politische Änderungen die öffentliche Gesundheit unterstützen könnten.“


Gesetzeslücke hilft der deutschen Trans*-Community

Fotos: bjö

In Deutschland müssen nach dem Transsexuellengesetz zwei unabhängige Gutachten von Psychologen erstellt werden. Verfahrenskostenhilfe kann, je nach Einkommensklasse des Antragsstellers, bewilligt werden. Andernfalls sind die oft vierstelligen Kosten selbst zu tragen. Das Verfahren kann sich Jahre hinziehen. Seit 2019 das Gesetz zum dritten Geschlecht erlassen wurde, nutzen viele Trans*-Menschen eine Gesetzeslücke, die es ihnen ermöglicht, Ausweise einfacher angleichen zu lassen, indem sie das von queeren Organisationen oft kritisierte Transsexuellengesetz umgehen.

Im Mai 2019 legten Bundesinnenministerium und Bundesjustizministerium einen Entwurf vor, der diese Lücke schließen sollte. Intersexuellen sollte weiterhin möglich sein, ihre Vornamens- und Personenstandsänderung in einer einfachen Erklärung vor dem Standesamt abgeben zu können –Transsexuelle hätten weiterhin kostenintensive und entwürdigende Gerichtsverfahren auf sich nehmen müssen. Nach Protesten wurde der Entwurf bislang nicht weiter verfolgt. 

Back to topbutton