KLAUS LEDERER: „Die Stadt muss wieder funktionieren!“

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Seit 2007 ist Klaus Lederer Vorsitzender der Partei DIE LINKE in Berlin und möchte in diesem Jahr zurück an die Macht. Warum? Das verriet uns der 42-jährige „Realo“ im Gespräch.

Foto: Fotostudio-Charlottenburg

WAS SIND DIE DREI WICHTIGSTEN THEMEN FÜR BERLIN?

Die Stadt muss wieder funktionieren! Das betrifft den öffentlichen Dienst genauso wie Brücken, Schulen und dergleichen. Dazu braucht es ein langfristiges, gut geplantes und vernünftig ausfinanziertes Investitionsprogramm, anstatt immer nur nach Kassenlage und für die eigene Klientel hier und da mal ein paar Euro zu verteilen. Der zweite Punkt: Ob das jetzt den ÖPNV oder die Energiekreisläufe der Stadt und die öffentliche Infrastruktur überhaupt betrifft, die Stadt muss zukunftsfähig gemacht werden.

SEHT IHR DIE CHANCEN DAFÜR EHER IN PRIVATISIERUNG ODER IM STAATLICHEN BEREICH?

Vattenfall zum Beispiel wird überhaupt gar kein Interesse daran haben, die Netze so auszubauen, dass dezentral sowohl eingespeist als auch entnommen werden kann. Vattenfall verdient mit den fossilen Brennstoffen. Das bedeutet, wenn es die öffentliche Hand nicht tut, wird es niemand tun. Und auch die öffentliche Hand tut es nicht per se, wenn sie nicht durch öffentliche Kontrolle und Transparenz dazu gezwungen wird. Dasselbe gilt für den ÖPNV und die digitale Infrastruktur. Die Stadt muss einfach zukunftsfähig werden. Da ist fünf Jahre nichts passiert.

Foto: M. Rädel

BEIM ÖPNV IST EIN BÜRGERTICKET IM GESPRÄCH. UND SEHR UMSTRITTEN …

Das ist ein Vorschlag mit einem Ziel, das 15 bis 20 Jahre entfernt liegt. Man muss nur jetzt damit anfangen zu planen, wenn man da hinwill, weil wir derzeit nicht in der Situation sind, dass wir überall von der Qualität und der Quantität her den öffentlichen Nahverkehr so gestalten, dass man das legitimerweise verlangen könnte. Wenn ich von jemandem dafür Geld nehme, muss der auch die Möglichkeit haben, das Angebot zu guten Konditionen zu nutzen. Fragen wir mal jemanden aus Spandau oder dem nördlichen Reinickendorf, wie er sich derzeit angebunden fühlt. Also zuerst einmal muss der ÖPNV erschwinglicher und besser werden. Dann kommt man irgendwann auch dahin sagen zu können, dass es eine öffentliche Leistung ist, die alle nutzen und die alle zahlen. Und zwar nach den individuellen Möglichkeiten.

UND DER DRITTE PUNKT?

Es muss aufhören, dass über die Köpfe der Bürger hinweg entschieden wird. Von ein paar Leuten, die sich für besonders geweiht halten oder sich durch politisch-technokratische Qualifikation erhoben fühlen und daraus ableiten zu wissen, was für die Stadt am besten ist. Das muss aufhören. Es wird derzeit von CDU und SPD in der Regel hinter verschlossenen Türen festgelegt, was für die Stadt gerade gut ist, und das ist genauso in der Regel das, was für sie selbst gerade das Beste ist. Dann wird das durchgedrückt ohne Rücksicht auf Verluste. Bürgerentscheide werden ausgehebelt und bürgerliches Engagement ausgetrickst oder durch Kampagnen denunziert. Egoistisches Einzelinteresse statt gemeinsamem Handeln für unsere Stadt. Alle bisher genannten Punkte werden nur auf Akzeptanz stoßen, wenn sie gemeinsam mit dem Bürger als Akteur angegangen werden. Dass wir ein unglaubliches Potenzial haben, hat doch der bisher peinlichste Akt der aktuellen Regierung im letzten Jahr gezeigt,

LAGESO?

Genau. Warum wird eigentlich immer nur dann auf Bürgerbeteiligung zurückgegriffen, um totales Staatsversagen zu kompensieren? Wir sollten die Bürger auch dann ernst nehmen, wenn sie mit berechtigten Ansprüchen und eigenen Ideen an die Politik herantreten .

DIE LINKE HAT ZURZEIT, ZUMINDEST BUNDESWEIT BETRACHTET, DAS PROBLEM, DASS IHR DER PROTESTWÄHLERANTEIL IHRER KLIENTEL AN DIE AFD VERLOREN GEHT. SIEHST DU DAS FÜR BERLIN AUCH SO?

Ich bin es langsam leid, dass immer, wenn es um die AfD geht, auf die Linke gezeigt wird. Das Hauptproblem haben hier die CDU und die SPD, die jederzeit, wenn die AfD auch nur mit dem Schwanz wedelt, bereit sind, alles über Bord zu werfen. Dass wir hier in Berlin, ich glaube zusammen mit den Grünen, als einzige stabil stehen, zeigt doch, dass Haltung der richtige Weg ist.

DANKE DIR SO WEIT. HAST DU NOCH EIN THEMA, DAS DU VIELLEICHT ANREISSEN MÖCHTEST?

Wie haben noch gar nicht über Queerpolitik gesprochen …

JA, WIR HABEN UNS IN DIESEM JAHR ENTSCHIEDEN, MAL ANDERS VORZUGEHEN. DIE COMMUNITYS VERÄNDERN SICH, QUEERPOLITIK STEHT NICHT UNBEDINGT IMMER AN ERSTER STELLE, WAS JA NICHT SCHLIMM IST. ABER WIR WÜRDEN NATÜRLICH GERNE ERFAHREN, WIE ES ZUM BEISPIEL MIT DER INITIATIVE VIELFALT“ WEITERGEHEN WÜRDE.

Unsere Linie ist, dass sie wieder angegangen und aus dem fünfjährigen Dornröschenschlaf geholt wird. Diese Koalition und ihr erbärmlicher Umgang mit der Ehe für alle im Bundesrat oder der Rehabilitierung der nach § 175 Verurteilten hat außer Kuchen essen und Bändchen durchschneiden doch nur noch die Rücknahme der Kürzung gefeiert, die sie selbst vorher beschlossen hatte. Es braucht eine neue Offensive, einen Neustart. Die Pläne dafür liegen vor und müssen nur aus der Schublade geholt und mit den entsprechenden Initiativen auf Aktualität geprüft werden. Was unter Rot-Rot mal die Lokomotive war, ist unter Rot-Schwarz zum Schlafwagen mutiert und dürfte gerne wieder zurück an die Spitze geholt werden.

•Interview: Christian Knuth

www.klauslederer.de

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