Nachgefragt: Pandemie gestern und heute – DÖAK auch für dich?

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Foto: Andreas Klingberg

Der 10. Deutsch-Österreichische Aids-Kongress wird zwischen dem 25. und 27. März

Foto: Johannes Berger

2021 #ausGründen erstmals auch digital stattfinden. Das verstärkt die Öffnung des Kongressprogramms Richtung Community selbstverständlich noch einmal. Wir fragten bei Kongresspräsident Professor Christian Hoffmann, Silke Klumb (Geschäftsführerin Deutsche Aidshilfe / DAH) und HIV-Aktivist Christoph Schaal-Breite nach, was interessierte Leser*innen erwartet.

Warum ist der DÖAK aus Ihrer Sicht auch für die Leser*innen einen (digitalen) Besuch wert?

Prof. Hoffmann: Das Programm des DÖAKs wird ja mittlerweile nicht nur von Wissenschaftler*innen konzipiert. Traditionell sind die Deutsche Aidshilfe sowie Mitglieder der Community in die Organisation eingebunden. Da liegt es auf der Hand, dass auch viele Themen, die über rein medizinische und reine HIV-Themen hinausgehen, zur Sprache kommen werden.

Welchen Stellenwert hat der Kongress aus Sicht der DAH in Sachen Prävention? Passt ein Fachkongress zum Konzept niedrigschwelliger Ansprache?

Silke Klumb: Auch ein Kongress wie der DÖAK kann niedrigschwellig werden, wenn Community auf allen Ebenen beteiligt wird – das ist ein wichtiges Grundprinzip, das auf dem DÖAK umgesetzt wird. Für gelingende Prävention ist die Kommunikation zwischen Ärzt*innen, Präventionist*innen, Selbsthilfeaktivist*innen und Sozialwissenschaftler*innen unerlässlich: der Abbau von Diskriminierung insbesondere im Gesundheitswesen ist eine zentrale gemeinsame Aufgabe, an der wir dringend zusammen weiterarbeiten müssen. Und am Beispiel der PrEP zeigt sich, wie wichtig eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten ist, um einen niedrigschwelligen Zugang zu ermöglichen. Darüber müssen wir reden!

Auf welche Schwerpunkte freuen Sie sich besonders?

Prof. Hoffmann: Ich freue mich auf die sicherlich zahlreichen Beiträge zu HIV und COVID-19 – ein Thema, das uns sicher derzeit alle in Beschlag hält und wo noch viele Fragen offen sind. Persönlich freue ich mich aber vor allem über den Eröffnungsvortrag durch Hans Jäger aus München, einem Pionier in Deutschland. Ende März 2021 werden die ersten Berichte zu HIV fast genau 40 Jahre zurückliegen. Sicher eine gute Gelegenheit, zurück zu schauen. Andererseits wird Hans Jäger, so wie ich ihn kenne, sicher auch visionär nach vorne blicken.

Silke Klumb: Neben den sicherlich spannenden Plenarvorträgen ist der Schwerpunkt zu Sexualität besonders spannend – von ChemSex über Sexualität leben mit der aktuellen großen Studie „Gesundheit und Sexualität in Deutschland“ bis zu einem Community-Workshop „Positive Sexualität“. Dann werden die ersten Ergebnisse der Studie „positive stimmen 2.0“ zu Diskriminierung von Menschen mit HIV präsentiert werden, die aktuell durchgeführt wird. Auf diese neuen Daten – nach der ersten Erhebung 2021 – sind wir sehr gespannt. Wir werden diskutieren, wie wir alle gemeinsam weiter gegen Diskriminierung vorgehen und diskriminierungsarme Verhältnisse schaffen können. Dazu wird auch die Vorstellung der Kampagne „selbstverständlich positiv“ einen wichtigen Beitrag leisten.

Corona und HIV wird zwangsläufig ein Querschnittsthema des DÖAK 2021. Wo sehen Sie hier den größten Diskussionsbedarf?

Prof. Hoffmann: Wir wissen immer noch nicht genug über die Koinfektion HIV/COVID-19 und mögliche schwere Verläufe. Welche Rollen spielen die Helferzellen? Und vor allem: Wie sicher sind die Impfungen? Die meisten Großen Impf-Studien haben HIV-Patienten zunächst von der Teilnahme ausgeschlossen. Mittlerweile hat sich das auf Druck einiger Patientengruppen in den USA zum Glück geändert, allerdings sind weiterhin fast immer ausgerechnet die schwer immunsupprimierten Patienten ausgeschlossen ­– ich fürchte, mit diesen Patienten, die die Impfung vermutlich am dringendsten benötigen, wird das ein großer Feldversuch im nächsten Jahr. Darüber muss geredet werden! Mit Frau Marylyn Addo aus Hamburg haben wir außerdem eine der führenden Impfforscherinnen für einen Plenarvortrag gewinnen können.

Silke Klumb: Für mich ist die zentrale Frage: Was kann aus der HIV-Epidemie gelernt werden für die Bewältigung der Covid-19-Pandemie, insbesondere aus Präventionssicht? Wie kann verständlich und glaubwürdig kommuniziert werden? Wie können verschiedene Gruppen, insbesondere die, die aktuell als „Risikogruppen“ bezeichnet werden, beteiligt werden an Entscheidungen, die ihr Leben elementar betreffen?



Schafft Deutschland die UNAIDS-Ziele?

Silke Klumb: Deutschland hat das zweite und dritte der UNAIDS-Ziele bereits erreicht, das ist sehr gut. Auch das erste Ziel kann erreicht werden, wenn es gelingt, weiterhin niedrigschwellig Zugang zu Beratung und Testangeboten zu schaffen. Dazu gehört insbesondere, Menschen die Angst vor dem Leben mit HIV zu nehmen, Diskriminierung und Stigma abzubauen.

„Es lohnt sich, den eigenen HIV-Status zu kennen – ein langes und gutes Leben mit HIV ist möglich.“

Mit großer Sorge sehen wir aktuell den Rückgang von HIV-Beratungs- und Testangeboten angesichts der COVID-19-Pandemie, sei es aufgrund der Überlastung der Gesundheitsämter, sei es aufgrund von eingeschränkten Angeboten aufgrund der Hygieneanforderungen, sei es mangels Finanzierung.

Foto: Ashkan Forouzani / CC0 / unsplash.com

Gleichzeitig beobachten wir eine moralische Verurteilung von Sexualität jenseits heteronormativ gelebter monogamer Beziehungen. Sexualität wird verdrängt, Community-Strukturen sind in Gefahr, für immer zerstört zu werden. Das kann nicht zuletzt auch negative Folgen für die Erreichung der UNAIDS-Ziele haben.  

25. – 27.3., 10. Deutsch-Österreichischer Aids-Kongress, Infos und Anmeldung unter www.sv-veranstaltungen.de


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