#schlauzuhiv • Sonst noch was? Vorsorge für Menschen mit HIV

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Eine funktionierende antiretrovirale Therapie (ART) ist die beste Voraussetzung für einen nachhaltigen Behandlungserfolg. Aber reicht es, viermal im Jahr Laborwerte bestimmen zu lassen oder muss sich um was gekümmert werden? Sind Menschen mit HIV anfälliger für bestimmte Erkrankungen? Wie sähe dann der Vorsorgeplan aus? Das haben wir Dr. med. Dominic Kaddu-Mulindwa, Facharzt für Innere Medizin, medizinische Häma- tologie und Onkologie in Homburg und Ettelbruck gefragt. 

Gibt es Vorsorgeuntersuchungen, die für Menschen mit HIV wich- tiger sind als für nichtinfizierte Menschen?

Es ist richtig, dass Menschen mit HIV für bestimmte Krebserkrankungen ein erhöhtes Risiko aufweisen.

Das betrifft bei Männern, die Sex mit Männern haben (MSM), vor allem das Analkarzinom und bei Frauen auch das Zervixkarzinom. Daher empfehlen wir hier die entsprechenden jährlichen Vorsorgeuntersuchungen: unseren weiblichen HIV-Patientinnen ab dem 21. Lebensjahr den PAP-Abstrich und unseren MSM HIV-Patienten die digitale rektale Untersuchung und ggf. eine zytologische Untersuchung eines Abstriches alle ein bis drei Jahre.

Auch wenn über den Nutzen dieser Vorsorge bei MSM gerne debattiert wird.

Die Krebsvorsorgeuntersuchungen für Darmkrebs, Brustkrebs, Prostatakrebs richten sich nach den allgemeinen Empfehlungen der gesetzlichen Krankenkasse. Unseren HIV-Patienten*innen, die älter als 50 Jahre alt sind und sehr stark rauchen oder mehr als 20 Jahre geraucht haben, empfehlen wir zusätzlich Computertomographie-Untersuchungen der Lunge. Für Menschen mit HIV, die zusätzlich noch bestimmte Risikofaktoren für Leberkrebs aufweisen, gibt es noch weitere spezielle Vorsorgeuntersuchungen (Ultraschalluntersuchung).

Grundsätzlich sollte Menschen mit HIV die Krebsvorsorgeuntersuchungen der gesetzlichen Krankenkasse also ernst und vor allem wahrnehmen!

Sind wir nicht aber alle irgendwie Vorsorgemuffel? Wie motivieren Sie Patient*innen?

Offen gesagt, leider ja!

Niemand geht gerne zum Arzt und keiner schreit sofort „hier“, wenn es darum geht, Vorsorge zu betreiben. Die Motivation ist ein ganz wichtiger und zentraler Punkt.

Zum einen haben wir die Vorsorgeuntersuchungen bei uns standardisiert, d.h. der aktuelle Stand der Untersuchungen wird bei jedem Termin automatisch mit abgefragt. Ich glaube, das ist schon einmal ein wichtiger Punkt, um zu motivieren, da niemand gerne „erwischt“ wird bzw. jedes Mal sagen möchte „Nein, ich war noch nicht bei der urologischen/gynäkologischen Vorsorge“. Grundsätzlich thematisieren wir Vorsorgeuntersuchungen somit jedes Mal. Was aus meiner Sicht zusätzlich hilft und „motiviert“ ist, wenn man konkret wird. Also das heißt, wenn man über die Praxis/Klinik Termine für den Patienten*in vereinbart oder wenn man Angebote schafft bzw. konkrete Hinweise zu Terminen gibt. Zudem hilft/motiviert es, wenn man die Untersuchungen im Arzt-Patient*in-Gespräch emotional verknüpft. Also von sich selber spricht oder von jemandem, den man kennt. Da eine Verbindung herzustellen kann sehr helfen.

Reden wir über das Thema Impfen: Welche sind wann sinnvoll und gehen die alle gut mit der ART? Muss ich an der etwas verändern, wenn ich mich impfen lassen möchte?

Grundsätzlich kann und sollte man sich hier nach den Empfehlungen der STIKO und unserer europäischen Fachgesellschaft (EACS) richten. Alle Impfungen vertragen sich mit der ART und können somit problemlos durchgeführt werden. Die ART muss dafür auch nicht pausiert und/oder verändert werden.

Es ist allerdings sinnvoll, die Impfung erst durchzuführen, wenn die Viruslast kontrolliert ist und die CD4-Zellenzahl bei >100/µl liegt, da die Impfantwort dann besser scheint. Einige Impfungen (Lebendimpfungen), sollten sogar erst ab einer CD4-Zellzahl >200/µl durchgeführt werden, zum Beispiel gegen Gelbfieber. Konkret empfehle ich, sich gegen Hepatitis A/B, Influenza, Pneumokokken, Varizella zoster, Humanes Papillomavirus (HPV) und SARS-CoV-2 impfen zu lassen. Meinen MSM-HIV-Patienten empfehle ich auch, sich gegen Meningitis (Neisseria meningitidis) impfen zu lassen.

Ich möchte hier auch noch einmal besonders auf die aus meiner Sicht wichtige Impfung gegen HPV eingehen. Sie richtet sich gegen humane Papillomaviren (die sog. High-Risk-Viren davon), die mit Krebserkrankungen assoziiert sind.

Das Eingangs erwähnte Zervixkarzinom ist sogar immer HPV-assoziiert und auch das Analkarzinom ist bei Personen mit HIV in über 80 Prozent der Fälle HPV-assoziiert.

Für die Impfung gegen HPV ist zu beachten: Da die STIKO diese Impfung nur im Alter von 9 bis 14 Jahren bzw. bis zum Alter von 17 Jahren empfiehlt, muss in der Regel vorher ein Kostenübernahmeantrag bei der Krankenkasse gestellt werden, obwohl der HPV-Impfstoff ohne Altersbeschränkung nach oben zugelassen ist. Zu beachten ist auch, dass der HPV-Impfstoff seinen vollen Nutzen nur entfalten kann, wenn es vor Impfung nicht zu einer persistierenden HPV-Infektion mit einem im Impfstoff enthaltenen Typen gekommen ist, da es sich hierbei nicht um einen therapeutischen Impfstoff handelt.

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