#schlauzuhiv • Warum drei, wenn auch nur eine Pille geht, Herr Dr. Buhk?

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Über die Verwendung sogenannter Eintablettenregime (STR1) in der HIV-Therapie (ART2) tauschten wir uns mit Dr. Thomas Buhk, Facharzt für Innere Medizin und Infektiologie am Infektionsmedizinischen Centrum Hamburg (ICH / www.ich-hamburg.de) aus.

Welche Rolle spielen STRs in Ihrem Praxisalltag?

Die Eintablettenregime sind eine wichtige Erleichterung für unsere Patienten, ich kann mich noch gut an die Handvoll Tablettenmenge (MTR) erinnern, die mehrmals am Tag eingenommen werden musste. Die eine Tablette am Tag trägt dazu bei, mit der HIV-Infektion besser und normaler leben zu können. Und das dann noch in Kombination mit der Nichtübertragbarkeit der HI-Viren, wenn man länger als sechs Monate mit der Therapie unter der Nachweisgrenze von 50 Viruspartikeln/ml liegt. Im Idealfall spürt man auch keine unerwünschten Wirkungen mehr – also dies ist eine tolle Entwicklung, die ich sehr begrüße!

Es gibt inzwischen ein breites Angebot an STRs. Alle gängigen Wirkmechanismen sind abgedeckt. Kommen STRs damit für jeden Patienten infrage?

Nicht jedes Eintablettenregime kommt für jeden Patienten infrage und ja, es gibt Patienten, denen ich immer noch ein Mehrtablettenregime empfehle. Es sind insbesondere Patienten aus den ersten Therapiegenerationen, die damals keine optimale HIV-Therapie einnehmen konnten, weil sie noch nicht zur Verfügung standen. Durch diese suboptimalen Therapien haben sich Resistenzen angehäuft, sodass die zwei bis drei Wirkstoffe, die in diesem Eintablettenregime verarbeitet sind, nicht ausreichend wirken können.

Knapp 2/3 der HIV-Patienten in Deutschland bekommen ein STR. Ein knappes Drittel nicht. Ist es noch zeitgemäß, bei einer ART aus mehreren Tabletten zu bleiben?

Bei diesem Drittel sind bestimmt Patienten dabei, die auch ein Eintablettenregime einnehmen könnten. Aber wenn jemand zufrieden mit seinem Zwei- oder Dreitablettenregime ist, mag es für den Einzelnen in Ordnung sein dabeizubleiben. Entscheidend ist ja, dass die Therapie den Leitlinien entspricht, zuverlässig wirkt, sehr gut verträglich ist und der Patient sich damit wohlfühlt. Alles, was die Leitlinien empfehlen, sehe ich als zeitgemäß an.

Wenn Patienten wechseln möchten: Wann und für wen macht die Umstellung von MTR auf STR Sinn und wann nicht?

Mit meinen Patienten bespreche ich immer wieder ihre aktuelle Therapie und spreche auch über mögliche Alternativen. Meistens wollen sie das Regime behalten, welches sie einnehmen. Ein Therapiewechsel bedeutet ja auch irgendwie Stress oder bringt eine Unsicherheit mit sich: Vertrage ich die neue Therapie so gut wie die aktuelle? – Wichtig finde ich bezüglich auf uns Ärzte, dass wir uns immer wieder der Herausforderung stellen, unseren Patienten ihre optimale Therapie zu ermöglichen.

Gerade bei multipel vorbehandelten Patienten mit komplexen Therapien und Therapievorgeschichten, die bereits Resistenzen entwickelt haben, finde ich es wichtig, dass ich immer wieder nachprüfe, ob eine Therapieerleichterung möglich ist. Dies macht viel Arbeit und lässt sich in der Sprechstunde nicht so nebenbei bewerkstelligen. Bei diesen Patienten geht es dann eher um eine Verringerung der Tablettenanzahl und nicht um ein Eintablettenregime. Aber auch – um auf ihre Frage zurückzukommen – bei Patienten mit Mehrpillenregimen, bei denen noch viele Therapieoptionen offenstehen, finde ich es sinnvoll, ihnen einen Switch zu einem Einpillenregime anzubieten, um die Einnahme zu erleichtern und möglicherweise auch Zuzahlungen für die Patienten zu verringern.


1STR = Single Tablet Regime2ART = Antiretrovirale Therapie

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