#PrEP ♂♂ Syphilis-Zahlen und der Mythos Truvada-Hure

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Das Robert Koch Institut (RKI) hat die Zahlen der Syphilis-Verbreitung in Deutschland bekannt gegeben (PDF). Erstmals wird offiziell von einem möglichen positiven Einfluss der PrEP berichtet, denn gegen den Trend sank die Zahl der Infektionen unter Männern, die Sex mit Männern haben (MSM) in Berlin und München deutlich um über zehn Prozent. 

Insgesamt konnte erstmals seit Jahren eine Stagnation der gemeldeten Syphilis-Fälle beobachtet werden: 8,8 Fälle pro 100.000 Einwohner wurden gegenüber 9,1 in 2017 gezählt. Viel spannender für das RKI waren aber die regionalen Schwankungen bei MSM. Die von den Forschern des Institutes veröffentlichten Gedanken zu den Ursachen sind in dieser Form erstmals offizielle statistische Überlegungen zum in der schwulen Sexszene heiß diskutierten Themenkomplex Sex ohne Kondom: 

„Für den Abfall in Berlin und München sind unterschiedliche Gründe oder auch eine Kombination dieser Gründe denkbar. ... Ein weiterer Grund könnte eine vermehrte Testung und Behandlung von Syphilis bei sexuell aktiven HIV-negativen Personen im Rahmen der seit 2016 in Deutschland zugelassenen Prä-Expositionsprophylaxe gegen HIV (PrEP) sein. Die HIV-PrEP senkt nur das Risiko einer HIV-Infektion, aber nicht das für den Erwerb anderer STI. Daher sieht die entsprechende Leitlinie als Begleituntersuchung unter anderem Testungen auf Syphilis in einem Drei-Monats-Intervall vor. Eine statistische Modellierung zeigte, dass eine konsequente Diagnose und Behandlung von STI wie der Syphilis im Rahmen der HIV-PrEP nach einer zunächst steigenden Fallzahl aufgrund anfangs vermehrt diagnostizierter STI mittel- und langfristig zu deren Rückgang führen kann, da die Erregerlast in einer Population effektiv gesenkt werden könnte.“

Die PrEP ist erst seit diesem Herbst Krankenkassenleistung, daher ist mit stichhaltigeren Ergebnissen erst in einem bzw. zwei Jahren zu rechnen. Allerdings deckt sich die mutmaßliche positive Auswirkung durch das PrEP-zugehörige engere Diagnosenetz für STI mit den Erfahrungen aus anderen Ländern und auch mit Ergebnissen, die eine andere große Studie zum schwulen Sex diesen Spätsommer offenlegte.

Größte Studie zum Sex von MSM – EMIS 2017 

Insgesamt ist die Testbereitschaft von MSM (verglichen mit der Allgemeinbevölkerung) laut EMIS hoch: Mehr als jeder zweite Befragte (56 Prozent) ließ sich im Jahr vor EMIS 2017 auf HIV testen, 46 Prozent auf andere STI. Diese Werte führen direkt zur Frage, wie es um das persönliche Wissen um Ansteckungswege und die Präventionsstrategien bestellt ist. Denn besonders in Bezug auf PrEP oder Schutz durch Therapie, werden moralisierende Vorteile über „die Schlampen“ und „verantwortungslose Virenschleudern“ verbreitet. Beide HIV-Präventionsmethoden setzen allerdings regelmäßige Arztbesuche und damit ein engmaschiges Screening auf STI voraus. Anders formuliert:

PreP-Nutzer und HIV-Positive sind eher nicht unter den 54 Prozent der MSM zu finden, die im Jahr vor der Befragung nicht bei einem STI-Test waren. 

Bei der Frage nach dem Sexualverhalten stellt sich heraus: 85 Prozent der Befragten von EMIS hatten in den zwölf Monaten vor der Umfrage mindestens einmal Analverkehr mit einem Mann und 61 Prozent mindestens einmal Analverkehr ohne Kondom.

Analverkehr ohne Kondom mit einem Partner, dessen HIV-Status sie nicht kannten, hatten davon rund 24 Prozent aller und 20 Prozent der deutschen Befragten. Und das bei nur rund drei Prozent PrEP-Nutzern, in Deutschland sogar nur zwei Prozent. HIV-positiv waren zehn Prozent der Teilnehmer, die wie die PrEPer, durch Medikamente kein Risiko eingingen bzw. waren. 

Ohne moralisch werden zu wollen: Wer ist denn jetzt der mit dem riskanten Verhalten? 


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