Homophobe Diskriminierung im Covid-Schatten: Schwule Badehäuser im Visier

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Nicht nur die Sexarbeit konnte sich der besonderen Aufmerksamkeit von Politik und Verwaltung sicher sein, auch die schwule Cruising- und Sexszene kämpft bis heute um eine zumindest teilweise Rückkehr zur Normalität. Die Badehäuser gegen Sonderverordnungen und übereifrige Staatsbedienstete. Wir berichten aus Hamburg und Köln.

Die Phoenix Sauna machte am 9. Juni den Anfang mit einem „Soft-Opening“. Ab 15. Juni durfte nach Abnahme des ausführlichen Hygienekonzeptes durch die Stadt Köln auch die Trockensauna öffnen, lediglich die Dampfsauna blieb geschlossen. Dies war frei nach dem Motto „erlaubt ist, was nicht verboten ist“ möglich. Alle Gäste mussten analog zur Hygieneverordnung des Landes NRW mit Namen, Kontaktdaten und Zeitraum des Aufenthaltes erfasst werden. Ebenso galt die Regel „beim Laufen oder Stehen Maske tragen, Sitzen ist ohne Maske erlaubt“. Um 1,50 Meter Mindestabstand zu wahren, wurden die Gänge in den Ruhebereichen mit Bodenmarkierungen in Einbahn-Wege verwandelt.

Außerdem durften gemäß §10 der CoronaSchVO für Wellnessbetriebe und Fitnessstudios nur 100 – 150 Gäste gleichzeitig in der Sauna aufhalten, zur Berechnung wurden 7 m² pro Gast vorgeschrieben. Diese Regeln wurden regelmäßig von den Mitarbeitern nachgehalten, wer mehr als zweimal ermahnt wurde, flog raus.

Am 1. August folgte das Badehaus Babylon nach umfangreichen Umbauten und Renovierungen, auch hier galten nach Abnahme des Hygienekonzepts durch die Stadt Köln strenge Hygieneauflagen, die von den Mitarbeitern sehr ernst genommen und entsprechend kontrolliert wurden.

Ordnungsamt marschiert ein

Am späten Abend des 7. Augusts erfolgte der erste Streich des Ordnungsamtes, die Phoenix Sauna wurde geräumt und sogar versiegelt. Als Gründe wurden Verstöße gegen die Hygieneverordnung, wie z.B. nichtvollständig ausgefüllte Kontaktlisten und fehlendes Maskentragen aufgeführt. Betroffene Gäste fühlten sich an die willkürliche Drangsalierung durch die Behörden vor 40 Jahren erinnert. Tags drauf dann der zweite Streich mit der Schließung des Badehauses Babylon. Betroffene berichteten, dass sie in der Umkleide entgegen allen Regeln

„dicht an dicht, in Abständen von wenigen Millimetern bis ein paar Zentimetern“

zusammengetrieben wurden.

Schwuler Sex pfui, hetero Sex hui?

Rund zwei Wochen später äußerte sich die Bezirksregierung in einer inoffiziellen Stellungnahme zu diesem Vorgehen, dass Etablissements in denen es gewöhnlich zu sexuellen Handlungen kommt, nach §10 Abs. 1 CoronaSchVO unzulässig sind und verglich damit indirekt „Männersaunen“ mit sexuellen Dienstleistungen bzw. Bordellbetrieben.

Vergleichbare Orte wie Sex-Kinos und Swingerclubs mit heterosexueller Zielgruppe durften dagegen weiterhin öffnen.

Dagegen protestierte der Vorstand des ColognePride. Das Vorgehen nimmt den Betroffenen Schutzräume und treibt sie zur Ausübung ihrer Sexualität in Parks und auf Privatpartys. Dadurch stand zu befürchten, dass sich das Infektionsgeschehen erst recht anonym und unkontrolliert weiterverbreitet. 

Recht gebrochen?

In einer Pressemitteilung vom 6. September forderte der NRWSPDqueer-Landesvorsitzende Fabian Spies die Landesregierung auf:

„Corona-Schutz ja, aber Diskriminierung nein! Die Schließung von zahlreichen schwulen Saunen ist in der Sache unbegründet und stellt in mehrfacher Hinsicht eine Diskriminierung dar!“

Am 9. September hat das Oberverwaltungsgericht Münster das Verbot von sexuellen Dienstleistungen in der Coronaschutzverordnung des Landes NRW gekippt. Sie verstoße voraussichtlich gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, entschieden die Richter.

Foto: FDP NRW

„Jetzt muss man schauen, wie man das umsetzt",

erklärte Familienminister und stellvertretender Ministerpräsident Joachim Stamp (FDP) in einer ersten Reaktion auf den Beschluss. Der Geschäftsführer der Phoenix-Sauna reagierte prompt mit einer Klage gegen die Stadt Köln. Er geht davon aus, dass

„die Verfügung sie in ihren Rechten unangemessen beeinträchtigt und eine vollständige Schließung des Betriebes nicht erforderlich gewesen wäre“.

Das sei auch Joachim Stamp hinter die Ohren geschrieben. Wenn er weniger ziellos schauen will, „wie er das umsetzt“, empfehlen wir den Blick nach Berlin, wo Sexarbeit mit Hygienekonzept wieder erlaubt ist. Auch die norddeutschen Länder haben sich nach lauten Protesten auf eine Erlaubnis für das älteste Gewerbe der Welt geeinigt. 

Hamburg: Sex im Hotel, aber nicht in der Sauna?

In Hamburg ist die Dragon Sauna zwar seit September endlich – lange nach Fitness- studios und Massagestudios – wieder geöffnet, allerdings sind Kabinen und Darkrooms nicht zugängig. Die Anweisung der Behörden: Don’t do it! Geschäftsführer Habib erklärte gegenüber hinnerk, dass er zwar angeboten habe, jeweils nur zwei oder eine andere spezifische Anzahl von Männern in den Darkroom zu lassen, dies sei aber als „nicht kontrollierbar“ abgelehnt worden. Obwohl die Namen und Kontaktdaten eh beim Einlass angegeben werden.

Die Zusammenarbeit mit den Ordnungshütern laufe sehr kooperativ, nur beim Thema Sex sei halt nach wie vor Schluss. Dies führt in Hamburg zu einer fast kafkaesken Situation, denn auch die norddeutschen Länder haben sich nach lauten Protesten und unter dem Eindruck des Gerichtsurteils in NRW auf eine Wiedererlaubnis für das älteste Gewerbe der Welt geeinigt.

Theoretisch und mit Augenzwinkern könnte Mann sich also einen Sexarbeiter buchen und mit ihm in der Sauna auf das Recht bestehen, seine gebuchte Leistung abzurufen zu dürfen, während die anderen – mit Abstand! – zuschauen müssten.

Gleiches würde sich gesunder Manneskraftverstand auch zwischen Paaren nicht nur phantasierend ausdenken wollen. Aber es bleibt vorerst beim Sexverbot in privatwirtschaftlicher Organisation. Bucht euch einfach ein Zimmer. In Hotels ist Sex nicht verboten.

Foto: C. Knuth

Warum wird im Jahr 2020 des Herrn, Sex zwischen Herren immer noch staatlich anders reglementiert als der zwischen den Geschlechtern?

Der dritte Teil der Reportage erscheint Ende Oktober in der neuen Leo!

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