„Diskriminierung ist ein großes Problem – ein gesellschaftliches und ein medizinisches.“

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Eine Studie der „IKK classic“ schafft für Deutschland statistische Grundlagen über die gesundheitlichen Auswirkungen von Diskriminierung: Homo-, Bi- und Transphobie sind keine Orchideenthemen skurriler Minderheiten, sondern machen krank. ...

Das Risiko, einen Zusammenbruch oder einen Burnout zu erleiden, ist 3,4 Mal höher. Ähnlich hoch ist das erhöhte Risiko für Migräne mit 3,0 und Angststörungen mit 2,8. 70 Prozent der Menschen mit starken Diskriminierungserfahrungen gaben an, in den vergangenen zehn Jahren an Schlafstörungen gelitten zu haben. Bei nicht diskriminierten Befragten waren es hingegen nur 30 Prozent. Je stärker die Erfahrungen waren, desto ungesünder fühlen sich die Betroffenen. Nur zehn Prozent der stark von Diskriminierung Betroffenen fühlen sich rundum gesund. Bei Menschen ohne diese Erfahrung liegt der Wert bei 33 Prozent.

Studienthema in Deutschland Grundlagenforschung

Für die Studie des Rheingold-Instituts für die „IKK classic“ wurden 40 Einzelinterviews mit Menschen ab 18 Jahren geführt. Die Hypothesen wurden anschließend mit einer Befragung von 1527 Menschen überprüft. Die Studie ist eine der ersten in Deutschland, die sich mit der Thematik auseinandersetzt, sagt Studienleiter Uwe Hambrock:

„Bislang gab es nur wenige belastbare Studien hierzu. In internationalen Meta-Analysen wurde zwar der Zusammenhang zwischen Betroffenheit durch Diskriminierung und Erkrankungen, hauptsächlich in Bezug auf Depressionen und Angststörungen sowie das Allgemeinbefinden, festgestellt. Aber für Deutschland gab es bisher kaum umfassende Grundlagenstudien.“ 

Uwe Hambrock, Diplom-Psychologe 

Queers Opfer von Mikroaggressionen

Mit rund 60 Prozent sei mehr als jeder zweite Mensch in Deutschland von Vorurteilen und Diskriminierung betroffen. Die meisten Menschen sind sich laut Studie der Existenz von Vorurteilen bewusst. 74 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass jede und jeder bereit sein sollte, die eigenen Vorurteile zu überwinden. Im Gegenzug gaben nur 38 Prozent an, selbst Vorurteile zu haben. Mindestens jeder Dritte bezeichnete Vorurteil als großes Problem. Vor allem Jüngere unter 35 Jahren und Frauen haben laut Studie neben den Betroffenen ein höheres Problembewusstsein.

Foto: IKK classic

Fast jeder dritte Befragte erlebte schon einmal körperliche Gewalt. 90 Prozent haben Erfahrungen mit sogenannten Mikroaggressionen wie Tuscheln oder unhöflicher Behandlung gemacht. Von Letzterem sind LGBTIQ*-Menschen wie auch Übergewichtige stark betroffen.

Diskriminierungsopfer diskriminieren

Eine gefühlte Wahrheit wird ebenfalls und leider bestätigt: Wer Diskriminierung erlebt, kann je nach sozialer Zugehörigkeit selbst überproportional zu diskriminierendem Verhalten neigen, wie Uwe Hambrock erklärt. Er fasst zusammen, dass „erstaunlicherweise {...} betroffene Personen genauso viel, tendenziell sogar mehr Vorurteile als Nicht-Betroffene“ zeigen würden. Betroffene reagierten zum Beispiel mit „Gegen-Vorurteilen“, also Vorurteilen über die "Täter"-Gruppe. {...} Dabei käme es auch auf die soziale Gruppe an:

„Menschen mit Migrationshintergrund, die ja häufig von Vorurteilen betroffen sind, neigen selbst stärker zu Vorurteilen gegenüber Frauen und LGBTQ. Bei Frauen und LGBTQ ist es andersherum: Diese neigen zu weniger Vorurteilen.“

Give me five: Vorurteile abbauen

Der respektvolle Austausch sowie ein wertschätzender Umgang mit Anderen seien wichtige Faktoren, „damit aus Vorurteilen erst gar kein diskriminierendes Verhalten entsteht“, so IKK classic Chef Hippler weiter. Die Autoren der Studie empfahlen, Kontakte mit anderen sozialen Gruppen aufzubauen, um diskriminierendes Verhalten zu reduzieren. Mindestens fünf Kontakte seien laut Faustregel nötig, um ein Vorurteil abzubauen. *AFP/ck

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