Baumsterben im Blätterwald

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Der größte schwule Arbeitgeber der Republik hat Insolvenz angemeldet. Aber hat die Pleite der Bruno Gmünder Group überhaupt etwas mit bedrucktem Papier zu tun? Eine vorsichtige Analyse.

Die Nachricht kam am frühen Nachmittag. Bruno Gmünder Group GmbH stellt Insolvenzantrag. Das war am 28. Mai und eine komplette Überraschung. Niemand hatte damit gerechnet, dass dem größten schwulen Arbeitgeber Deutschlands das Geld ausgeht. Das Berliner Unternehmen hat 80 feste und ein Heer freier Mitarbeiter, die sich jetzt Sorgen um ihren Job und ihre Honorare machen.

Die meisten Reaktionen auf die Nachricht gingen in die Richtung Baumsterben im Blätterwald bedauerten die mögliche Einstellung der Männer oder der Buchsparte des Hauses. Und auch die Geschäftsleitung betonte in einer ersten Pressemitteilung die Marktführerschaft bei schwulen Printmedien und die Schwierigkeiten bei der Umstellung auf das digitale Zeitalter. Das erweckt den Eindruck, die wären für die Krise des Hauses verantwortlich. Was so nicht stimmt.

Was stimmt: Mit bedruckten Papieren aller Art lassen sich bei schwulen Männern 2014 nicht mehr die gleichen Margen erzielen wie 1985 und das Unternehmen hat unter seinem Namensgeber den Einstieg ins Internet-Zeitalter relativ verschlafen. Was aber vielleicht zu seinem Vorteil war. Denn statt wie andere Medienhäuser in den letzten 20 Jahren Hunderttausende von Euro in trendigem Treibsand zu versenken, hat Gmünder (vielleicht ja durch bloße Ignoranz) im Netz immer erst dann mitgespielt, als alle schon wussten, wie es geht und es nicht mehr so teuer war. Deswegen besitzt man jetzt ein paar Webseiten, die niemandem wehtun und Plattformen für die verschiedenen Köpfe des Hauses sind. Das ist nicht aufregend, aber passt so.

Ähnliches gilt für die gesamte Printsparte: Die Belletristik und die Fotobuchabteilung des Hauses dürften durch geschicktes Gesundschrumpfen in den letzten Jahren beide schwarze Zahlen schreiben und das Monatsmagazin Männer ist unter Chefredakteur David Berger so bekannt wie lange nicht mehr, auch wenn dessen konfrontativer Thesenjournalismus nicht zu einer echten Auflagensteigerung geführt hat. Die Männer verkauft seit Jahren rund 10.000 Exemplare pro Monat und funktioniert dabei 2014 ähnlich wie die Emma unter Alice Schwarzer: bekannter und sehr meinungsstarker Kapitän auf einem sehr kleinen Dampfer. Das kann man so machen. Bleibt der Reiseführer Spartacus. Der läuft, so kann man vermuten, nicht mehr so gut wie vor 20 Jahren, aber immer noch anständig und finanziert sich mindestens selbst.

Wenn es den Printprodukten des Hauses also verglichen mit großen Teilen des Marktes gut geht, warum dann die Insolvenz? Weil die Bruno Gmünder Group in Wahrheit ein Packesel ist, kein Papiertiger. Die echten Umsätze werden im Handel erzielt: in den fünf Brunos-Läden, über brunos.de, als größter Vertrieb schwuler Pornografie in Europa und mit solchen Sachen wie der Poppers-Seite Tom Rockets und der ersten eigenen Unterwäschekollektion Torchpack. Zu glauben, Gmünder bräuchte jetzt Hilfe von außen, weil nur wenige Menschen acht Euro für die Männer ausgeben, ist ungefähr so, als würde man denken, dem Logistik- und Finanzriesen Deutsche Post ginge es schlecht, weil keiner Briefmarken auf E-Mails klebt.

Den Kollegen am Wittenbergplatz seien alle Daumen dafür gedrückt, dass die Insolvenz dem Unternehmen weiterhilft und so viele ihrer Arbeitsplätze wie möglich erhalten bleiben. Bei den Printprodukten des Hauses muss man sich da wohl keine Sorgen machen. *Otto Hecht

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