Doppelleben musste sein

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Grafik: www.reprodukt.com

Im 20. Jahrhundert war es auch bei uns noch viel, viel schwerer schwul oder queer zu leben. Begegnungen wurden strafrechtlich verfolgt, Gefängnis, Ächtung und auch Isolation von der heterosexuellen Mehrheitsgesellschaft drohten, wenn bekannt wurde, dass man sein eigenes Geschlecht liebt.

Mit dieser – in vielen Ländern der Welt immer noch aktuellen – Situation beschäftigt sich „Parallel“ von Matthias Lehmann, das gerade erschienen ist. Es erzählt die fiktionale, aber an das Leben eines schon verstorbenen Verwandten angelehnte, Geschichte eines Mannes, Karl Kling, der zwischen den 1950ern und 1980ern in der BRD ein Parallelleben zwischen seiner Rolle als biederer Familienvater und eben seiner eigentlichen Sexualität führt. Beobachtet von neugierigen Nachbarn, verurteilt von der enttäuschten Ehefrau. Ein mitunter beklemmender Comic, der exemplarisch für unzählige Schicksale steht.

Das Debüt des Leipziger Zeichners macht erfahrbar, wie schwer es war, sich zu outen – und weckt damit auch Verständnis für ältere prominente Homosexuelle, etwa für den unlängst verstorbenen Alfred Biolek. Wenn man sich so lange verstecken musste, feiert man nicht plötzlich selbstbewusst sein Coming-out. Im Falle von Alfred Biolek war sein Outing durch Rosa von Praunheim eine Befreiung, etwas Gutes. In dem Buch sieht man aber, warum viele Queers so lange zögerten oder sich auch heute noch verstecken. Ein lehrreiches, lesenswertes und auf seine Art auch unterhaltsames – nicht düsteres – Buch. www.reprodukt.com

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