Oberflächenphänomen ohne Tiefgang

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„Yves Saint Laurent“ erzählt eine große Liebesgeschichte zwischen zwei Männern, versäumt es aber, zu erklären, warum einer davon der wichtigste Modeschöpfer des 20. Jahrhunderts war.

Yves Saint Laurent war ein Genie, soviel dürfte bekannt sein. Warum er das war? Deswegen: als er seinen schmalen Arsch mit 21 (!) bei Dior in den Chefsessel schwingt, schreiben wir 1957 und die französische Mode weiß wer und was sie ist: Chanel. Heißt: Eleganz durch Zweckmäßigkeit, Figur durch Gürtel, Luxus durch Schlichtheit. All das ändert Saint Laurent schon mit seiner ersten Kollektion und ist ab da unter dem Dior- Label aber besonders unter seinem eigenen Namen ein Garant für Erstversuche: Wespentaille ade, farbige Models hereinspaziert, Damenanzüge und edle Stöffchen in revolutionären Schnitten. Yves Saint Laurent könnte ein Bilderrausch darüber sein, wie jemand sein Fach revolutioniert, indem er den Zeitgeist in seinen Entwürfen widerspiegelt und so den kommentierenden Geist von Mode in den Vordergrund stellt, was der Meister bis zu seinem Tod vor fünf Jahren immer wieder getan hat.

Stattdessen hat Regisseur Jalil Lespert das Panorama der diesjährigen Berlinale mit einem etwas behäbigen Biopic über ein ungleiches Paar eröffnet: Saint Laurent (Pierre Niney) und seinen Lebensgefährten Pierre Bergé (Guillaume Gallienne). Und natürlich ist die Frage nach der Liebesfähigkeit eines Menschen, dessen Geist irgendwo außerhalb der Sphären weilt, die Normalsterblichen so zugänglich sind, keine uninteressante, aber auch ein bisschen psychologisierend und schon mal dagewesen. Besonders wenn man sie nur dazu benutzt, aus Saint Laurent einen so gut wie moralfreien Sonderling zu machen, dessen Eskapaden beim Publikum Erstaunen und Empörung hervorrufen sollen.

Nikolai Kinski hat zwar ein paar hinreißende Auftritte als der junge Karl Lagerfeld und Gallienne und vor allem Niney machen ihre Sache wirklich gut, aber so richtig Spaß haben kann an Yves Saint Laurent eigentlich nur derjenige, der Mode eben für etwas hält, das dazu da ist, Frauen (und ein paar Männer) hübscher anzuziehen. Ein Oberflächenphänomen ohne jeden kulturellen Tiefgang, statt einer Kunstgattung.

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