Fionn Whitehead: Voguing und Ballroom

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Foto: Salzgeber

Gleich mit drei spannenden und höchst unterschiedlichen Projekten startete Fionn Whitehead, geboren 1997 im englischen Richmond, vor drei Jahren seine Karriere. Für „Dunkirk“ stand er vor der Kamera von Christopher Nolan, in „Kindeswohl“ küsste er Emma Thompson und in der britischen Miniserie „Queers“ von Mark Gatiss sprach er einen von acht Monologen. Anschließend folgten die Flüchtlingsgeschichte „Roads“ vom deutschen Regisseur Sebastian Schipper und der interaktive Film „Black Mirror: Bandersnatch“. Nun ist Whitehead in der amerikanischen Independent-Produktion „Port Authority“ (ab 10. Dezember im Kino) zu sehen, in der er in New York City strandet und sich in Wye (Leyna Bloom) verliebt, eine junge Transfrau aus der Ballroom-Community.

Fionn, „Port Authority“ ist ein kleiner Film, das Debüt der Regisseurin Danielle Lessovitz. Was hat dich an diesem Projekt gereizt?

Ich habe das Drehbuch gelesen und mich sofort in diese Geschichte verliebt. Einfach weil sie so wunderschön und ehrlich geschrieben war. Auch die Figuren fand ich auf Anhieb unglaublich stark. So etwas liest man als Schauspieler nicht alle Tage.

Der Film wirkt in gewisser Weise sehr unmittelbar, wahrhaftig und roh. Wie fühlte sich diese Energie bei den Dreharbeiten an?

Man kann nicht behaupten, dass sich meine Arbeit nicht wie sonst auch angefühlt hat. Aber klar, allein durch die Tatsache, dass wir eine kleine Produktion ohne riesiges Budget waren, führte dazu, dass es auch Momente gab, die etwas von Guerilla-Filmemachen hatten. Es ist zum Beispiel in New York nicht so einfach, eine Drehgenehmigung für die U-Bahn zu bekommen. Deswegen haben wir manches Mal ... ich sage jetzt einfach mal: improvisiert. Wobei ich das natürlich eigentlich gar nicht verraten dürfte.

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Die Geschichte spielt in der Ballroom-Szene. Was wusstest du vorher über diese Welt, aus der das Voguing hervorgegangen ist?

Nicht viel, um ehrlich zu sein. Ich wusste, dass es das gibt, aber echte Berührungspunkte mit der Szene hatte ich vor dem Film noch nicht. Da war ich echt naiv.

Wie viele Einblicke konntest du denn dann durch die Arbeit am Film gewinnen?

Wir haben für den Film einen echten Ball veranstaltet, bei dem wir gedreht haben. Zu unserem Team gehörten ja viele Menschen, die fester Bestandteil der Ballroom-Welt sind, gerade auch bei den Schauspieler*innen. Deswegen war die Sache ziemlich authentisch und hat unglaublich viel Spaß gemacht.

Macht es für Dich eigentlich einen Unterschied, ob Du mit einer Regiedebütantin wie Lessovitz arbeiten oder – wie bei „Dunkirk“ – mit einem alten Hasen wie Christopher Nolan?

Eigentlich nicht. Wichtig ist für mich, dass ich einen guten Draht zu dem oder der Regisseur*in habe und mich vor der Kamera wohlfühle. Wie viel Erfahrung jemand hat oder wie groß das Projekt ist, ist dann für meine Arbeit eigentlich egal. Natürlich kann man ein bisschen eher einschätzen, worauf man sich einlässt, wenn jemand schon viele andere Filme gedreht hat. Insofern lässt man sich natürlich mit einem Debütfilm eher auf ein unbekanntes Abenteuer ein. Aber angesichts des Drehbuchs und unserer Skype-Unterhaltungen hatte ich nicht das Gefühl, bei Danielle ein Risiko einzugehen.

Auch für viele Deiner Kolleg*innen bei „Port Authority“, etwa die wunderbare Hauptdarstellerin Leyna Bloom, war dies der erste Film. Fühlst Du eine andere Verantwortung, wenn Du mit Laien drehst?

Vielleicht könnte man das so sagen. Es ist auf jeden Fall ein anderes Gefühl, als wenn man mit Legenden wie Emma Thompson vor der Kamera steht. Aber auf keinen Fall schlechter, denn Leyna und alle anderen bei „Port Authority“ waren so professionell und hatten so viel Talent, als seien sie kein Stück weniger erfahren als ich. Es war nicht so, dass ich ständig Hilfestellung geben musste.

Foto: Salzgeber

Mit Thompson hast Du vor einigen Jahren den Film „Kindeswohl“ gedreht, Kussszene inklusive. Macht eine so berühmte Kollegin nervös?

Am Anfang hatte ich damals auf jeden Fall weiche Knie. Ich hatte echt Bammel, dass ich vor der Kamera komplett versage. Doch zum Glück macht Emma es einem unglaublich leicht, diese Nervosität schnell zu vergessen. Einerseits ist sie eine unglaubliche Schauspielerin, die durch ihr bloßes Talent jede Szene zu etwas Besonderem macht. Andererseits ist sie aber vor allem ein absolut liebenswerter und herzlicher Mensch. Sie war wirklich an mir als Person interessiert, auch wenn die Kamera nicht lief. Sie ist so offen für ihr Gegenüber, dass die Chemie zwischen uns gar nicht anders als stimmen konnte.

Du bist noch keine fünf Jahre Schauspieler. Sprechen Dich eigentlich schon viele Fans auf der Straße an?

Hin und wieder kommt das schon vor. Nicht zuletzt seit dem „Black Mirror“-Film „Bandersnatch“. Den haben auf Netflix echt verdammt viele Menschen gesehen. Auf jeden Fall freue ich mich immer sehr, wenn mich jemand erkennt und anspricht, denn eigentlich hatte ich da bislang ausnahmslos nette Erlebnisse.

Und geschmeichelt ist man sicherlich auch, oder?

Klar. Aber Ruhm ist eigentlich nichts, woran ich besonders interessiert bin. Als ich mit 13 Jahren angefangen habe, Theater zu spielen, ging es mir jedenfalls nicht darum, ein Star zu werden, sondern ich war fasziniert davon, in verschiedene Rollen zu schlüpfen. Und ich habe auch in Zukunft nicht vor, besonders viel Aufmerksamkeit auf mich als Person zu lenken. Worum es gehen soll, sind immer meine Figuren und ihre Geschichten.

*Interview: Jonathan Fink

www.salzgeber.de

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