George MacKay „dreidimensionale Erfahrung“

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Foto: Universal Pictures

Schon als Kind stand George MacKay für den Film „Peter Pan“ vor der Kamera, mittlerweile gehört er zu den gefragtesten Shootingstars der Branche. Nach Rollen in so unterschiedlichen Filmen wie „Pride“, „Captain Fantastic“ oder „Marrowbone“ war der 28-jährige Londoner Anfang des Jahres in der Hauptrolle des oscarprämierten Kriegsfilms „1917“ von Sam Mendes zu sehen, der nun in Deutschland auf DVD und Blu-Ray erscheint. Und auch in „Ophelia“, einer weiteren Neuerscheinung fürs Heimkino, spielt er neben Daisy Ridley, Owen Wilson und Naomi Watts eine Nebenrolle. Wir trafen ihn zum Interview.

Foto: Universal Pictures

Mr. MacKay, „1917“ ist ein in vieler Hinsicht beeindruckender Film. Und wahrscheinlich merkte man schon während des Drehs, dass dies keine Arbeit wie jede andere ist, oder?

Das war die engste Kollaboration, die ich je zwischen Regisseur und Schauspieler erlebt habe. Und mit allen anderen Beteiligten, vom Kameramann bis zum Produktionsdesigner. Bevor die Dreharbeiten losgingen, haben wir alle zusammen fünf Monate geprobt. Ich habe die Schauspielerei dabei zum ersten Mal als wirklich dreidimensionale Erfahrung wahrgenommen, um es mal so auszudrücken. Die Einstellungen waren lang, die Kamera immer ganz dicht an uns dran. Und wir haben letztlich durch unsere Bewegungen vorgegeben, wie sich die Kamera bewegt. Normalerweise geht es für uns ja eher darum, zu vergessen, dass die Kamera da ist. Dieses Mal war im Grunde das Gegenteil der Fall, womit eine ganz neue Verantwortung einherging.

Dass die Arbeit aus (kamera-)technischer Sicht so aufwendig war, hat Sie nicht von der Schauspielerei abgelenkt?

Genau dafür waren eben die Proben so wichtig. Mit nur einer Woche Vorbereitung wäre das nicht zu machen gewesen. Aber bis wir mit dem eigentlichen Dreh begannen, kannten wir alle Schritte und Abläufe so genau und waren ein so eingespieltes Team, dass wir daran kaum noch Gedanken verschwenden mussten. Ich konnte dann also einfach ganz im Moment sein und mich auf meine Figur konzentrieren.

Foto: Universal Pictures

Die körperlichen Strapazen sieht man Ihnen in „1917“ immer an. Wie anstrengend war der Dreh?

Fast alles, was im Film zu sehen ist, ist echt. Da wurde nicht viel getrickst, weder bei den Stunts noch bei den Explosionen oder den Ratten. Entsprechend war das definitiv die aus körperlicher Sicht anstrengendste Arbeit meiner bisherigen Karriere. Und ich habe es geliebt. Denn so anstrengend es war, so sehr hat mich das auch befeuert. Es fühlte sich toll an, jeden Tag so intensiv mit meinem Körper zu arbeiten. Klar gab es auch Momente, in denen ich irgendwie kaum noch konnte und genervt war. Doch zu wissen, dass alles, was die Soldaten damals im Krieg erlebten, natürlich noch unglaublich viel schlimmer und mühsamer war, hat meinen Frust dann immer schnell verfliegen lassen.

Können Sie bei einem solchen Film überhaupt mal zwischendurch abschalten oder sind Sie da im permanenten „Kriegszustand“?

Ich liebe es zu arbeiten und stürze mich da immer gerne mit Haut und Haar hinein. Auch weil ich glaube, dass ganz klar ein Zusammenhang besteht zwischen der Menge an Aufwand, die man in eine Sache steckt, und der Qualität, die am Ende dabei herauskommt. Bei „1917“ war ich deswegen tagein, tagaus am Set, von morgens bis abends. Gleichzeitig muss man aber auch darauf achten, dass man sich nur verausgaben sollte, wenn eine Sache dadurch wirklich besser wird, nicht bloß um der Anstrengung willen. Nicht umsonst hat mich der Regisseur Sam Mendes am Anfang gewarnt: Das hier wird ein Marathon, kein Sprint. Und du musst lernen, auch auf dich und deine Gesundheit zu achten. Deswegen habe ich versucht, so gut es geht, an den Wochenenden und Abenden auch abzuschalten oder zumindest zur Ruhe zu kommen.

Sie sind noch keine dreißig, können aber schon auf eine lange Liste toller Filme verweisen, von „Pride“ über „Captain Fantastic“ bis zu „Ophelia“, der auch gerade auf DVD erschienen ist, oder demnächst „The True History of the Kelly Gang“. Wie suchen Sie Ihre Rollen aus?

Vieles ist natürlich einfach Glück. Außerdem habe ich eine tolle Agentin, die nicht nur meine beste Freundin ist, sondern auch ein ähnliches Verständnis davon hat, welche Geschichten erzählenswert sind. Sie ist eine ganz wichtige Beraterin an meiner Seite. Was mich interessiert – als Schauspieler wie als Zuschauer – ist einfach die menschliche Natur. Ich habe immer Angst, zu prätentiös zu klingen, aber tatsächlich geht’s mir um die Frage: Warum sind wir, wie wir sind? Danach suche ich meine Rollen aus. Von daher würde ich sagen, dass das Wichtigste für mich immer die Geschichte ist. Auch wenn es natürlich nicht unerheblich für mich ist, wer einen Film inszeniert und mit welchen Leuten ich da zusammenarbeiten werde.

Geht es Ihnen auch darum, aus der eigenen Komfortzone rauszukommen?

Klar, das ist immer gut. Was mich herausfordert oder was ich nicht kenne, finde ich besonders reizvoll. Ob das die Erfahrungen eines jungen Soldaten im Ersten Weltkrieg sind oder das Coming-out eines schüchternen Schwulen.

Apropos „Pride“: Der Film war vor sechs Jahren kein riesiger Hit, fand aber doch eine treue Fanschar, nicht wahr?

Ich habe einige sehr rührende Nachrichten bezüglich „Pride“ bekommen. Und manchmal sprechen mich auch Menschen in der Öffentlichkeit auf den Film an. Ich freue mich jedes Mal wahnsinnig. Zu wissen, dass es da draußen ein paar Leute gibt, denen meine Arbeit etwas bedeutet und die wirklich inspiriert wurden, macht mich glücklich. Gerade auch bei einem Film wie „Pride“, dessen Geschichte mich selbst so inspiriert hat. Einfach weil sie gezeigt hat, wie viel wir Menschen bewegen können, wenn wir unseren Hintern hochbekommen und Engagement zeigen.

Ihre Mutter ist Kostümbildnerin, Ihr Vater Beleuchter. Hatte das Einfluss auf Ihre Entscheidung, Schauspieler zu werden?

Die Arbeit am Theater hatten meine Eltern schon aufgegeben, bevor meine Schwester und ich geboren wurden. Ich bin also nicht in dieser Welt groß geworden. Aber ich verdanke ihnen zumindest, dass ich schon als Kind ganz viele Theaterstücke und Filme gesehen habe, was andere Gleichaltrige vermutlich so nicht kannten.

Wie kamen Sie denn dann in die Branche?

Dass ich dann Blut leckte in Sachen Schauspielerei, lag daran, dass eine Casting-Agentin zu uns in die Schule kam, als ich zehn Jahre alt war, weil Jungs für den Film „Peter Pan“ gesucht wurden. Da war ich neugierig – und hatte Glück, dass ich einer derjenigen war, die sie tatsächlich auswählte. Damals habe ich noch nicht darüber nachgedacht, was ich mal werden will. Aber die Erfahrung vor der Kamera hat mir so viel Spaß gemacht, dass ich immer weitermachen wollte. Als ich dann in „Private Peaceful“ meine erste Hauptrolle spielte, wusste ich endgültig, dass für mich nichts anderes infrage kommt.

*Interview: Jonathan Fink



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