Rupert Goold: „Judy“ mit Renée Zellweger

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‎Foto: Pathé‎ / ‎BBC Films

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Judy“: In dem Film spielt Oscar-Preisträgerin Renée Zellweger Judy Garland, die Mutter von Liza Minnelli – und wurde dafür gerade bei den „Golden Globes“ geehrt.

Judy, das Mädchen, das mit seiner Darstellung der Dorothy in „Der Zauberer von Oz“ 1939 weltberühmt wurde und mit seiner glockenklaren Stimme „Over the Rainbow“ sang, ist die wohl erste Szene-Ikone. Die Künstlerin war schon zeitlebens ein Liebling der Community, wichtig für alle Queers wurde sie durch den am Tag ihrer Beerdigung ausgelösten Stonewall-Aufstand, der die Geburt des Christopher Street Days darstellt.  

Mr. Goold, welchen persönlichen Bezug hatten Sie zu Judy Garland, bevor Sie mit der Arbeit an Ihrem Film „Judy“ begannen?

Kennengelernt habe ich Judy natürlich, wie sicherlich viele von uns, dank „Der Zauberer von Oz“ und „Over the Rainbow“. Da muss ich noch echt jung gewesen sein. Auf jeden Fall erinnere ich mich noch daran, dass Judy und der Film mich danach noch monatelang in meinen Träumen begleitet haben. Ich glaube, für eine Weile dachte ich damals sogar, das hätte ich alles nur geträumt, bis ich den Film dann zwei Jahre später noch einmal gesehen habe. Aber viel mehr Berührungspunkte gab es dann erst einmal nicht mehr.

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Sie kannten keine anderen Garland-Filme?

Sagen wir mal so: Es gab erschreckend viele, die ich nicht gesehen hatte. Angefangen von den „Andy Hardy“-Filmen, die sie als Jugendliche gedreht hat, bis hin zu „A Star Is Born“. Und auch mit der Bedeutung, die Judy zum Beispiel für viele Schwule oder Dragqueens hat, hatte ich im Grunde nicht viel zu tun. Wobei mir die wieder sehr konkret und auf wunderbare Weise ins Bewusstsein gerufen wurde, als der wunderbare Dragkünstler Dickie Beau vor ein paar Jahren ein Gastspiel am von mir geleiteten Almeida Theatre in London hatte. Er weckte definitiv mein Interesse an Judy Garland, nicht zuletzt an ihrer theatralischen Seite.

Foto: gemeinfrei / CC0

Wo wir gerade bei der LGBTIQ*-Community sind: In „Judy“ kommt ein schwules Paar vor, das regelmäßig in Garlands Londoner Show kommt und sie eines Abends auch persönlich kennenlernt. Sind die beiden reine Fiktion oder gibt es eine reale Vorlage?

Uns war immer klar, dass wir einen Weg finden wollten, ihre schwulen Fans in die Geschichte einzubinden, denn ihr Bezug zu der Community ist ja ohne Frage ein zentraler Teil ihrer Ikonografie. Zunächst überlegten wir, ob es einen Weg gäbe, den Film mit ihrem Tod enden zu lassen und die Stonewall-Unruhen miteinzubeziehen. Aber das passte einfach nicht.

Aber wie kamen Sie dann auf dieses schwule Paar?

Irgendwann fiel dem Drehbuchautor Tom Edge und mir die Parallele auf zwischen Judy gegen Lebensende allein in London und dem „Zauberer von Oz“. Weit weg der Heimat versucht sie eigentlich nur, nach Hause zu finden, und macht dabei interessante Zufallsbekanntschaften. Tom zauberte dann den Einfall aus der Tasche, dass sie die beiden am Bühneneingang kennenlernt, was sich plötzlich zu einer ganz neuen, geradezu magischen Szene auswuchs. Nicht nur ein kleiner Moment, sondern zehn Skriptseiten! Und in die floss alles ein, was wir aus Gesprächen mit besagtem Dickie Beau und anderen schwulen Freunden über die Diskriminierung und Unterdrückung von Homosexuellen in der damaligen Zeit und eben Judy Garlands Bedeutung für viele Schwule wussten.

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Glauben Sie, Garland wäre damals tatsächlich mit zwei Fremden nach Hause gegangen?

Ich halte es zumindest nicht für vollkommen aus der Luft gegriffen. Sie hatte ja wirklich eine enge Bindung an ihre schwule Fangemeinschaft und war generell niemand, der sich komplett abgeschottet hat. Aber natürlich kommt da auch eine fiktive Überhöhung mit ins Spiel. So eine Art magische Wunscherfüllung à la „Notting Hill“.

War die Gratwanderung zwischen historischen Fakten und Fiktion schwierig?

Eigentlich nicht. Wir haben natürlich viel recherchiert, aber es geht hier um einen Spielfilm, und kein Mensch kann alle Details von damals kennen oder weiß, was Judy wann gesagt oder gedacht hat. Trotzdem war es natürlich von zentraler Bedeutung, dass die wichtigsten Figuren alle real und wahrhaftig sind, von ihrem letzten Ehemann Mickey Deans bis zu Rosalyn Wilder, die in London ihre Produktionsassistentin war. Letztere war auch regelmäßig am Set und hat uns beraten. Und wir haben viele Gespräche mit Menschen geführt, die Judy in dieser Zeit in London gesehen haben. Komplett erfunden haben wir wirklich nur das schwule Paar. Aber das heißt nicht, dass wir damit Wahrhaftigkeit eingebüßt haben.

Haben Sie auch Kontakt zu Garlands Kindern aufgenommen?

Das habe ich den Produzenten überlassen. Es war nicht so, dass wir ihren Segen brauchten, schließlich ist Judy eine Person des öffentlichen Lebens und weite Teile ihrer Arbeit sind frei verfügbar. Natürlich habe ich das Buch ihrer Tochter Lorna Luft gelesen und auch das von Mickey Deans. Aber ich hatte kein Interesse daran, Lorna oder ihren Bruder persönlich zu treffen. Das hätte mir für die Arbeit am Film nicht wirklich etwas gebracht. Für Lorna haben wir dann später auch ein Screening des Films arrangiert, allerdings hatte ich da gerade Theaterproben und konnte nicht dabei sein. Deswegen kann ich Ihnen dazu gar nicht so viel sagen.

Ist „Judy“ für Sie eigentlich auch ein Weg, dafür zu sorgen, dass Judy Garland heutzutage nicht in Vergessenheit gerät?

Vielleicht, ja. Auf dem Weg zu unserer Weltpremiere beim Filmfestival im amerikanischen Telluride saß ich auf dem Weg den Berg hoch in einer Gondel mit zwei jungen Frauen, die sicherlich jünger als 25 Jahre waren und noch nie von Judy Garland gehört hatten. Das hat mich dann doch fast überrascht. Wobei ich von Beginn an immer sichergestellt habe, dass wir einen Film drehen, der auch für Menschen funktioniert, die nichts über Judy, ihr Leben und ihre Arbeit wissen. Deswegen war der Kern der Geschichte  also: Eine Frau arbeitet trotz körperlicher Probleme bis zum Umfallen, um wieder zu ihren Kindern zurückkehren zu können – immer wichtiger als noch eine Anspielung an Mickey Rooney. Unser Film sollte alle zufriedenstellen, die Neulinge genauso wie die Gay-Community oder Hardcore-Fans wie meine Schwiegermutter.

*Interview: Patrick Heidmann

Funfact: Sam Smith und Rufus Wainwright sind bei der Musik beteiligt.


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