FILMKRITIK: Emmerichs „Stonewall“

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Foto: Warner Bros.

Viel ist im Vorfeld schon über Roland Emmerichs neusten Film STONEWALL gesprochen worden, aber selten auf einer sachlichen Ebene und mit Kenntnis des Films.

Vorweg: Auch wenn der Film nach dem berühmten STONEWALL INN benannt wurde, liegt der Hauptfokus der Geschichte auf dem Highschool-Schüler Danny Winters (Jeremy Irvine), der nach einer kurzen Liebschaft mit seinem Jugendfreund von seinen Eltern aus dem bigotten Haus geworfen wird und im New York des Jahres 1969 strandet. Einer Zeit, in der es verboten war Alkohol an Homosexuelle auszuschenken, die als psychisch krank galten, und in der die Elektroschock-Therapie als adäquates Mittel zum „Kurieren“ dieser Krankheit galt.

Vor diesem Hintergrund zieht es Danny als Erstes in die berühmt-berüchtigte Christoper Street – einen Mikrokosmos der LGBT-Community, der ihn sowohl fasziniert als auch teilweise schockiert. Das Greenhorn wird schnell von den Street Kids „The Girls“ adoptiert und taucht ein in die neue, vermeintliche Freiheit. Schnell aber ist klar, dass diese hart erkauft ist: Ein Blowjob eines verklemmten Familienvaters für 25 Dollar, um sich über Wasser zu halten, und Übergriffe durch Freier und Polizei bestimmen den Alltag der „Girls“. Der überforderte Junge aus der Provinz findet Halt bei dem älteren, gut situierten Trevor Nichols (Jonathan Rhys Meyers), der offen für die Rechte der Schwulen kämpft und Flugblätter verteilt. Das passt der Scare Queen Ramona/Ray (Jonny Beauchamp), die sich in Danny verliebt hat, natürlich gar nicht. Während Danny versucht, seinen eigenen Weg zu gehen, eskaliert um ihn herum die Situation und er befindet sich mittendrin in der historischen Nacht des 28. Juni im STONEWALL INN und den emotionalen Verstrickungen von Lieben und Geliebt-Werden.

Foto: Warner Bros.

Wer bei dem Film erwartet, eine dokumentarische Auflistung der Aufstände zu sehen, wird enttäuscht werden, aber das ist auch nicht die Intention des Films. Der Erzählstrang bleibt konsequent bei dem Jungen aus der Provinz und macht dabei manchmal sicherlich auch zu große Zugeständnisse. Trotzdem zeigt der Film punktuell auch ungeliebte und zu schnell vergessene Wahrheiten: So war zum Beispiel das STONEWALL INN keine kuschelige Kneipe, sondern wurde von der Mafia betrieben. Der Besitzer Ed Murphy (Ron Perlman) entführt die gestrandeten Jungs und setzt sie auf Schwule in hochrangigen Positionen an, um diese dann zu erpressen. Auch die damaligen Lebensumstände auf dem Land und in der Stadt werden berührend erzählt. Ein sehenswerter Film für alle, die nicht jedes kleinste Detail des Aufstands wiedergegeben haben wollen. Auch wenn man sich an manchen Stellen noch mehr Mut gewünscht hätte. Wie sagt Danny im Film zu Trevor?: „Du kannst keine Revolution im Anzug und Krawatte starten.“

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