#INTERVIEW: Vanessa Paradis als Pornoproduzentin

by

Foto: Salzgeber

Foto: Salzgeber

Seit den 1980ern, als Vanessa Paradis mit Hits wie „Joe le taxi“ loslegte, liebt man die Karl-Lagerfeld-Muse auf der ganzen Welt. Egal ob als Sängerin, Model oder Schauspielerin, die Französin begeistert. Wir sprachen mit ihr.

Vanessa, Sie spielen in „Messer im Herz“ eine Schwulenporno-Produzentin in den Siebzigerjahren. Haben Sie schon mal Homo-Pornos geguckt?

Foto: studio219

Nein, nie. Irgendwie war ich nie neugierig darauf. Und es war auch nicht so, dass der Regisseur Yann Gonzalez mich zur Vorbereitung darum gebeten hätte. Tatsächlich sind die Pornos ja auch nicht das Hauptthema des Films ... Das wollte ich gerade sagen. Selbst die Gewalt steht nicht wirklich im Mittelpunkt, obwohl es um einen Serienmörder geht. Für mich handelt Yanns wundervolle Geschichte vor allem von der Liebe. Nicht nur von der zerbrochenen Liebe zwischen meiner Frau und mir, sondern über die Liebe, die all diese Figuren in sich tragen und füreinander verspüren. Gerade weil diese Frauen und ihre Jungs Pornos drehen und eigentlich exzentrische Außenseiter sind, entwickeln ihre Emotionen eine poetische Tiefe, die mich unglaublich berührt hat. Und das, obwohl „Messer im Herz“ auch ein Slasher-Film ist.

Waren Sie eigentlich erstaunt, dass trotz des Porno-Settings im ganzen Film kein einziger Penis zu sehen ist?

Ehrlich gesagt hat mich das gefreut. Ich hätte mich auch nicht daran gestört, wenn es anders gewesen wäre, aber für Schauspieler ist es nie besonders schön, nackt vor einem Team von dreißig Leuten vor der Kamera stehen zu müssen. Wenn man darauf also verzichten kann, freuen wir uns immer. Außerdem hätten Penisse vielleicht auch zu sehr abgelenkt von der eigentlichen Schönheit der Geschichte. Sicherlich werden sich einige „Messer im Herz“ in der Hoffnung auf heiße Sexszenen anschauen. Doch ich hoffe, diese Zuschauer sind dann am Ende nicht enttäuscht, sondern verzaubert von der Zärtlichkeit und den tiefen Gefühlen, die sie stattdessen entdecken.

Waren Sie eigentlich ein Fan von dem platinblonden Seventies-Look, der Ihnen für den Film verpasst wurde?

Das können Sie laut sagen. Mein Vorbild, was Haare und Make-up angeht, war Debbie Harry, die ich immer schon großartig fand!

Auch musikalisch?

Klar. Überhaupt sind die Siebzigerjahre für mich das tollste Jahrzehnt, was die Musik angeht. Zusammen mit den Sechzigern. Ich liebe auch Jazz, aber was mich selbst als Sängerin und Musikerin immer schon am meisten beeinflusst hat, waren die Siebziger. Auch wenn man das vielleicht nicht allen meinen Songs auf Anhieb anhört.

Erst vor einem halben Jahr ist Ihr neustes Album „Les Sources“ erschienen, nun ist „Messer im Herz“ nach „Das Familienfoto“ bereits Ihr zweiter Kinofilm in diesem Jahr. Sind die Schauspielerei und die Musik für Sie gleichermaßen wichtig?

Hmmm ... Fast gleichermaßen, würde ich sagen. Musik ist für mich wie die Luft zum Atmen. Ohne sie könnte ich nicht leben, glaube ich. Ganz so weit würde ich bei der Schauspielerei nicht gehen. Was aber nicht heißt, dass ich freiwillig darauf verzichten würde.

Vor rund zwei Jahren erschütterte #MeToo nicht nur, aber vor allem die Filmbranche, seither scheint sich einiges zu verändern, wie mit Themen wie sexuellem Missbrauch und Belästigung, aber auch allgemein Gleichberechtigung und Diskriminierung umgegangen wird. Wie erleben Sie diese Entwicklung?

All die Dinge, die seit 2017 an die Öffentlichkeit gekommen sind und zum Thema wurden, betreffen uns alle und gehen uns alle an. Niemand kann sagen, er habe damit nichts zu tun. Und ich finde es gut und wichtig, dass wir über all diese Dinge öffentlich sprechen, denn das ist bereits der erste Schritt zur Lösung eines Problems. Wir erleben gerade, wie Frauen mehr denn je eine Stimme bekommen und sich nicht nur unsere Branche, sondern die Gesellschaft allgemein dahingehend verändert, dass wir vielleicht den Platz bekommen, der uns zusteht. Das alles geschieht ziemlich langsam, keine Frage, denn unsere Welt ist ein Dinosaurier, der sich nicht gerade schnell bewegt. Aber ich blicke sehr positiv auf alles, was da gerade passiert.

Haben Sie selbst als Frau an Filmsets häufig schlechte Erfahrungen gemacht?

Im Leben allgemein sicherlich, wie wohl jede Frau. In der Arbeit hatte ich aber eigentlich immer viel Glück. Ich war fast immer von sehr netten Menschen umgeben, die mich sehr anständig behandelt haben. In der Musikbranche übrigens genauso.

Ihre Tochter Lily-Rose Depp ist inzwischen zwanzig Jahre alt und auch schon als Schauspielerin und Model erfolgreich. Erkennen Sie, die auch sehr jung durchstartete, sich in ihr wieder?

Ich glaube, diese neue Generation ist ganz anders, als wir damals waren. Allein schon durch all die technischen Möglichkeiten, mit denen diese Kids aufwachsen, entwickeln sie ganz andere Persönlichkeiten als wir früher. Außerdem kommt im Fall meiner Kinder dazu, dass sie in den USA zur Schule gegangen sind, und die Privatschulen dort ermutigen die Schüler sehr, eigene starke Persönlichkeiten zu entwickeln. Das ist nicht vergleichbar mit dem rigiden Bildungssystem in Frankreich. Selbstbewusstsein wird in Amerika sehr gefördert, das hat mir immer gut gefallen. Ich selbst brauchte damals viel länger, um herauszufinden, wer ich bin und was ich will. Deswegen freue ich mich umso mehr zu sehen, was für ein kluges, tolles und starkes Mädchen meine Tochter ist.

Sie pendeln mittlerweile zwischen Los Angeles und Paris, nicht wahr?

Ganz genau, auch wenn die Distanz zwischen beiden Städten echt mühsam ist. Frankreich ist natürlich meine Heimat, Paris ist fest in meiner DNA verankert. Dort leben die meisten meiner Freunde, und ich liebe nichts mehr als meinen Alltag dort, einfach durch die Straßen laufen und in Cafés sitzen. Aber ich bin auch in den USA glücklich, nicht zuletzt, weil das die Heimat meiner Kinder ist und die beiden es dort lieben. Was mir Paris nicht bieten kann, finde ich in Kalifornien: unglaubliche Natur – und vor allem wenig Ablenkung. Wenn ich Musik aufnehme, kann ich das zum Beispiel nirgends so gut wie dort.

*Interview: Jonathan Fink

„Messer im Herz“, Kinostart: 18. Juli, salzgeber.de

Back to topbutton