Das pralle Leben!

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Foto: Gilbert & George and Galerie Thaddaeus Ropac, London. Paris. Salzburg

Das skurrile britische schwule Künstler-Duo Gilbert & George ist in der Schirn Frankfurt zu Gast – mit „The Great Exhibition“, einer riesigen Ausstellung, die ebenso riesige Werke der beiden von 1971 bis 2019 zeigt.

In ihren etwas steif wirkenden Anzügen, immer geschniegelt mit Hemd und Krawatte, wirken Gilbert & George wie skurrile Exoten in einer sich ansonsten gerne lässig gebenden Kunstwelt.


Foto: Tom Oldham

Gar nicht steif sind hingegen ihre großformatigen, meist knallbunten Foto- und Bildcollagen: Da strecken sie den Betrachter*innen schon mal ihre nackten Hintern entgegen, titulieren sich selbst als „George, the Cunt and Gilbert, the Shit“, sie zeigen sich als manisch starrende Avatare mit magisch ineinander verzwirbelten Rauschebärten, thematisieren Anal- und Oralverkehr, Krankheit, Tod, Gewalt, Religion und Moral. Ein ganzes Kaleidoskop des menschlichen Lebens wird mit einer nahezu spirituellen Sicht verwurstet. Glück und Leid sind hier gleichberechtigte Sensationen des prallen Lebens mit all seinen Widersprüchen. Und die gilt es allesamt zu akzeptieren.


Ihre gerasterten Bildwelten erinnern an eine Mischung aus Kirchenfenstern und Werbeplakaten; das passt gut, wollen Gilbert & George doch ihre Message an die Betrachter bringen. Kunst für alle, mit einfach verständlichen Codes. Und das funktioniert!


Foto: Courtesy of Gilbert & George

Der Südtiroler Gilbert Prousch und der britische George Passmore hatten sich in den späten 60ern als Studenten der Londoner Hochschule für Kunst und Design Central St. Martins kennen gelernt. Sie wurden ein Paar und beschlossen, als Künstler fortan in Personalunion als „Living Sculptures“ aufzutreten. Gemeinsam bezogen sie Anfang der 1970er ein Haus samt Atelier im multikulturellen Ost-Londoner Viertel Spitalfields. Die damals heruntergekommene Ecke Londons ist heute ein Hipster-Pflaster, aber genau hier fanden und finden Gilbert & George die Themen für ihre Kunst – Spitalfields ist für sie der Mikrokosmos, der die ganze Welt beinhaltet.

Die Ausstellung „The Great Exhibition“ ist eine Kooperation der Luma Foundation, des Moderna Museet in Stockholm und der Schirn Frankfurt und wurde bereits in Arles, Stockholm, Oslo, Reykjavik und Zürich gezeigt.

Foto: Courtesy of Gilbert & George


Die Ausstellung ist bis Anfang September 2021 zu sehen, Schirn, Römerberg, Frankfurt www.schirn.de

Zur Ausstellung wird ein großer Ausstellungskatalog erscheinen, dazu gibt es ein umfangreiches Rahmenprogramm, das auch online zur Verfügung steht.

Jeden Donnerstag werden um 19 Uhr Highlights der Ausstellung mit einem Guide und interaktiven Elementen als digitales Zoom-Webinar präsentiert; Infos über die Schirn-Website 


Themenführungen

Foto: Courtesy of Gilbert & George

Ein Special sind die Videoclips und Führungen mit sechs Frankfurter Persönlichkeiten zu den Themen Religion, Rassismus, Sexualität, Urbanität und Obdachlosigkeit im Werk von Gilbert & George; mit dabei sind Björn Berndt (GAB Magazin, Frankfurt), Thomas Kober (Weißfrauen Diakoniekirche, Frankfurt), Prof. Dr. Michel Müller (Studio MC Collaborative network for art and spatial Design, Darmstadt), Dr. Stefan Scholz (Haus am Dom, Frankfurt) Ismahan Wayah (Migration und Diversitymanagement im Historischen Museum, Frankfurt) und Siraad Wiedenroth (Initiative Schwarze Menschen in Deutschland und Bildungsstätte Anne Frank). Termine und Interviews gibt’s über die Website.

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