#INTERVIEW: Elmgreen & Dragset

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Foto: www.facebook.com/ingar.dragset.7

Wir trafen Elmgreen & Dragset für ein Interview über Kunst, Homosexualität und ihre jüngsten Arbeiten.

Eines ihrer jüngsten Arbeiten ist ein Meermann in der dänischen Stadt Helsingør, inspiriert von der Statue der kleinen Meerjungfrau in Kopenhagen. Für die Biennale in Venedig kreierten Elmgreen & Dragset ganze Räume für eine Art begehbares Kunstwerk: ein Haus, das wie eine Bühne verschiedene Szenen und Künstler zeigte. Noch dieses Jahr nimmt das Duo an der Biennale in Liverpool teil und wird 2013 mit einer großen Ausstellung im Londoner Victoria and Albert Museum gewürdigt.

Gibt es so etwas wie schwule Kunst?

Natürlich beeinflusst die Sexualität deinen Blick auf die Welt. Und die Perspektive eines schwulen Künstlers ist anders als die heterosexueller Künstler. Man ist ganz anders aufgewachsen. Wenn du in der Schule Romeo und Julia gelesen hast, bist du an die Geschichte ganz anders herangegangen und hast die Liebe der beiden in einer metaphorischen Weise interpretiert. Mann musste die Liebe übersetzen und in einen Kontext mit den eigenen Gefühlen bringen. Früher waren Schwarz-Weiß-Fotografien eines nackten Männerhinterns am Strand schwule Kunst. Das ist heute glücklicherweise nicht länger so.

Was inspiriert euch?

Das kann schon mal eine frühere Arbeit sein, die einen zu etwas Neuem inspiriert, einer Fortsetzung, die im logischen Zusammenhang mit dem Alten steht. Aber es kann auch ein Buch sein oder ein hoffnungsloser Fall, den man spät in der Nacht in einer Schwulenbar trifft. Inspiration wartet nicht im Studio.

Foto: L. Wassmann

Woran arbeitet ihr gerade?

Wir reisen um die ganze Welt und entfernen in diversen Museen die Farbe von den Wänden – insgesamt rund drei Quadratmeter. Später setzen wir die Streifen auf Leinwand wieder zusammen. Die Serie wird erstmals im Herbst in der Victoria Miro Gallery in London in der „Harvest“-Show (auf Deutsch: Ernte) gezeigt. Wir haben das Material für unsere Arbeiten schließlich auch ‚geerntet‘. Die fertigen Stücke werden an minimalistische, monochrome Bilder der 1960er-Jahre erinnern. Bis jetzt haben wir Material in nahezu allen großen Museen Deutschlands gesammelt, haben in Großbritannien, der Schweiz und sogar in den USA im MoMA und Guggenheim an den Wänden gekratzt.

Euer Meermann wurde von den Menschen mit offen Armen willkommen geheißen. Wie kam es zu der Statue?

Die kleine Meerjungfrau in Kopenhagen avancierte im Laufe des letzten Jahrhunderts zu einer Art Nationaldenkmal und einer beliebten Touristenattraktion. Es ist ja irgendwie niedlich, dass eine so kleine Statue wie kein zweites Kunstwerk als Logo für unser Land fungiert, aber es sendet die falsche Botschaft an ausländische Besucher und auch an die Dänen selbst. Vor ein paar Jahren haben wir die kleine Meerjungfrau schon zum Thema unserer Arbeit gemacht. Wir platzierten einen Spiegel vor die Statue, fotografierten die Komposition und nannten das Bild ‚Wenn sich ein Land in sich selbst verliebt‘. Dänemark ist ein wenig überheblich geworden und zeigt einen überdurchschnittlichen Beschützerinstinkt, wenn es um Einflüsse aus anderen Kulturen geht. Um eben dieses Problem geht es auch bei dem Meermann, den wir ein paar Kilometer die Küste aufwärts installiert haben.

Was hatte es mit dem Pavillon auf der Biennale in Venedig 2009 auf sich? Wie seid ihr auf die Idee gekommen?

Das Office of Contemporary Art Norway lud uns ein, den Pavillon Norwegens zu besichtigen und später auch zu gestalten. Bis dato waren wir während der Biennale in Venedig stets mit einem Projekt beschäftigt und hatten nie Zeit, das Areal zu besuchen, in dem das Kunstfestival stattfindet. Als wir also das erste Mal vor Ort waren, erinnerte uns das Gelände stark an einen hübschen kleinen Vorort, in dem die Nachbarn um das größere Grundstück wetteifern – oder eben darum, wer die größeren Kürbisse zieht. Viele der Häuser sahen viel mehr aus wie riesige Villen und weniger wie die Galerien, die sie eigentlich darstellen sollten. Als wir dann noch gefragt wurden, ob wir auch den dänischen Pavillon gestalten wollten, war uns sofort klar, dass wir im Inneren der beiden Ausstellungsflächen eine Art Wohnsituation schaffen wollten. Wir erdachten also fiktive Bewohner, Nachbarn, die unterschiedliche Leben lebten, aber beide Kunst sammelten.

Der dänische Pavillon zeigte das Zuhause einer gutbürgerlichen Familie, die sich zerstritten hat und aus dem gemeinsamen Heim ausgezogen ist. Das Haus war also ‚zu verkaufen‘ und wir engagierten zwei Schauspieler, die als Immobilienmakler auftraten. Der Pavillon Norwegens war eine Fallstudie eines schwulen Junggesellen aus Kalifornien. Der frühere Hausherr dümpelte allerdings schon längere Zeit mit dem Kopf unter Wasser im Pool des Hauses dahin. Vor dem Haus platzierten wir zwei Wachen, die unzweifelhaft etwas mit dem Tod des Mr. B. Each zu tun hatten. Die Wohnsituation und der Aufbau der Pavillons sollte dem Besucher Hinweise auf die früheren Bewohner der beiden Häuser geben. Sie konnten sich umschauen, nach Beweisen suchen, sich auf die Spur der erdachten Persönlichkeiten begeben.

*Interview: Daniel Scheffler

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