Norbert Bisky, Gilbert & George und Rummelsnuff

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Foto: L. Münchenhagen

Der 32-jährige Lennart Münchenhagen beschenkt Hamburg mit einer wunderbaren Ausstellung, die sich Tom of Finland widmet, aber auch aktuelle Kunstgrößen wie Norbert Bisky, Gilbert & George oder Rummelsnuff zeigt.

WIE BIST DU AUF DIE IDEE GEKOMMEN, EINE AUSSTELLUNG ZU DIESEM THEMA ZU MACHEN?

Bereits während meines Kunststudiums wurde ich 2015 von der Sammlung Tangermann angesprochen, ob ich nicht Lust hätte, eine Ausstellung mit einigen Zeichnungen von Tom of Finland zu organisieren. Sofort hatte ich die Idee, dies zum Ausgangspunkt für eine Gruppenausstellung mit jungen und etablierten Positionen werden zu lassen.

WAS FASZINIERT DICH AN TOM OF FINLAND?

Einerseits sicherlich die sehr eigenständige Bildsprache. Tom of Finland erkennt man überall sofort. Andererseits die ungeheure gesellschaftliche Sprengkraft, die in den Zeichnungen steckt – ich denke, dass die Arbeiten von Tom of Finland ein großartiges Beispiel dafür sind, welchen Einfluss Kunst auf die Gesellschaft haben kann.

Foto: Lennart Münchenhagen

EINE AUSSTELLUNG MIT DEN BILDERN VON TOF WAR VORHER IN NEW YORK ZU SEHEN, NACH HAMBURG FOLGT FINNLAND. WIE PASST EINE KLEINE PROGRESSIVE GALERIE IN EINE REIHE MIT DEM MOMA?

Zunächst wurde die Ausstellung in New York zwar vom MoMA unterstützt, fand aber an einem eigenständigen Ausstellungsort – dem Artists Space – statt und wandert im Sommer in die Kunsthalle Helsinki. Unabhängig davon wurde mir angeboten, mit einem Teil der dort ausgestellten Werke ein eigenes Projekt in Hamburg zu realisieren. Natürlich wären auch hier zum Beispiel die Kunsthalle oder die Deichtorhallen adäquate Ausstellungsorte gewesen. Aber einen Off-Raum wie das Elektrohaus zu nutzen, bietet mir die Möglichkeit, auf institutioneller Ebene zu spiegeln, worum es in den Zeichnungen ja auch geht: einen subversiven Umgang mit Hierarchien. Außerdem befindet sich das Elektrohaus in unmittelbarer Nachbarschaft zu Toms Saloon, einer ehemaligen Wirkungsstätte von Tom of Finland, wo im Zusammenhang mit der Ausstellung auch eine Auswahl an alten Plakaten zu sehen sein werden. Später gibt es dort dann noch eine Lesung.

DU BIST SELBER KÜNSTLER UND STELLST AUCH EIGENE WERKE AUS. WAS IST DEIN HAUPTBETÄTIGUNGSFELD IN DER KUNST?

Ich arbeite viel skulptural bzw. installativ mit Räumen, aber so genau kann ich das gar nicht sagen. In dieser Ausstellung zeige ich Arbeiten aus einer Serie, die so seit 2011 entsteht. Es handelt sich dabei um beschossene Keramiken, in diesem Fall um Stelen: Die zunächst noch weichen und später gebrannten Krater und Wunden der Einschüsse sind dann wie erstarrte Momente des Zusammentreffens auch irgendwie sehr sinnlich auf den zweiten Blick. Man denke dabei nur an die ganze Seitenwundenerotik der christlichen Kunstgeschichte. (zwinkert) Ein zweites Beispiel für meine Arbeit ist ein schallgedämmter, gemauerter Würfel mit einer Kantenlänge von drei Metern. Außen wirkt er wie eine minimalistische Skulptur aus der Mitte des letzten Jahrhunderts. Betritt man den von außen weißen Würfel, gelangt man durch eine schwere, ebenfalls schallgedämmte Tür ins schwarz gelackte, ohrenbetäubende Innere, in dem eine Technomeute auf engstem Raum feiert und sich zur lebendigen Skulptur verformt. Eigentlich eine Art des Readymade, nur dass es sich hier nicht mehr um einen Gegenstand handelt, der in den Kunstkontext überführt wird, sondern um eine Situation. Gleichzeitig benötigt diese aber ihre Haut, den Würfel, um überhaupt zu existieren. Der Betrachter bleibt außen, im Inneren wird er Skulptur. Und so reiben sich die Positionen aneinander wie ...

NEBEN TOF UND DIR WERDEN AUCH ANDERE KÜNSTLER ZU SEHEN SEIN. WELCHE KONNTEST DU GEWINNEN?

Neben ToF und mir wird man Werke sehen von: Claudia Apel, Babak Behrouz, Silvia Berger aka Frau Kraushaar, Norbert Bisky, William S. Burroughs, Werner Büttner, Baldur Burwitz, Call, Fuxleber, Gilbert & George, Tine Günther, Lars Hinrichs, Rachel Hughes, Terence Koh, Bjarne Melgaard, Gerrit Mencke, Manfred Peckl, Tim Reinecke, Gabriella Rioux, Rummelsnuff, Sophie Schweighart, Britta Thie und Malte Urbschat.

Außerdem zeigt das Metropolis am 12. April Rainer Werner Fassbinders letzten Film „Querelle“, der sich unter anderem auch explizit auf die Zeichnungen von Tom of Finland bezieht. Zusätzlich wird es eine Lesung mit Harald Nicolas Stazol geben, der etwas aus und um die Gerichtsprotolle von Oskar Wildes Prozess vorträgt.

Foto: Tom of Finland

WIE ERFOLGTE DIE AUSWAHL, WELCHE ZIELE HAST DU VERFOLGT?

Die gezeigten Arbeiten haben entweder inhaltliche oder formale Gemeinsamkeiten mit den Zeichnungen von Tom – oder es gibt einen direkten Bezug wie beispielsweise bei der Arbeit von Terence Koh, die 2009 auf der Biennale in Venedig zusammen mit Zeichnungen von ToF im norwegischen Pavillon als Beitrag zu „The Collectors“ von Elmgreen & Dragset zu sehen war. Ich glaube, diese Ausstellung hat maßgeblich den Diskurs um Tom of Finland positiv mitverändert.

Eine andere Arbeit, eine softpornografische fotorealistische Zeichnung einer jungen Frau von Gerrit Menke, stellt die Frage nach Genialität bzw. der Trennung von Kunst und Kunsthandwerk und den mit diesen Schlagworten verbundenen Hierarchisierungen, mit denen sicherlich auch Toms Zeichnungen konfrontiert waren.

WAS EINT, WAS UNTERSCHEIDET QUEERE VON STRAIGHTER KUNST? KANN MAN DAS ÜBERHAUPT SO EINTEILEN?

Es fällt mir schwer, das so zu unterteilen. Es gibt höchstens Kunst mit Inhalten dieser oder jener Art. Kunst ist, glaube ich, prinzipiell auf der Suche nach dem anderen Ufer, welcher Art und Weise dieses nun auch immer ist. Oder anders gesagt: Neue Perspektiven einzunehmen, ist ein der Kunst ureigenes Prinzip.

DIE AUSSTELLUNG WIRD IN DREI TEILE GESPLITTET. WELCHE?

Die Ausstellungsteile laufen unter dem gemeinsamen Titel „Freiheit – Gleichheit – Brüderlichkeit“. Freiheit: Eröffnung am 1. April. Gleichheit: Eröffnung 15. April. Und Brüderlichkeit mit der Eröffnung am 29. April. Alle beteiligten Künstler stellen jeweils in einem der Teile aus, wobei Tom of Finland permanent mit wechselnden Werken präsent sein wird. Ich freue mich besonders darüber, dass wir einige Zeichnungen erstmals öffentlich ausstellen können.

KANNST DU JEDEN DER TEILE KURZ BESCHREIBEN?

Freiheit ist auch der am freiesten kuratierte Part. Wir werden visuell laute Positionen sehen: von Melgaard, Borroughs, Sophie Schweighart und auch von mir selbst. Gleichheit setzt sich speziell mit dem Aspekt der Zeichnung auseinander. Ein weiteres Motiv ist vielleicht das der Spiegelung, wenn wir zum Beispiel an Fassbinders „Querelle“ denken oder die Zeichnungen von Lars Hinrichs. Brüderlichkeit, das sind Freunde mit Freunden und deren Freunde. (Freunde = Girls & Boys)

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