Black Arts Lab aka LAMONT PRINCE

by

Bild: Black Arts Lab

Geboren wurde der Untergrundkünstler zwar in den USA, doch nun lebt er lieber in „Europas trendigster Stadt“ Berlin. In den letzten Monaten werkelt er fleißig an seinem kommenden Album. Wie das klingen wird und wie Berlin auf ihn wirkt, erfährst du hier.

WARUM BIST DU NACH DEUTSCHLAND, NACH BERLIN GEZOGEN?

Seit ich Teenager war, habe ich davon geträumt, in Deutschland zu leben. Ich mochte schon immer deutsche Musik wie Can, Amon Düül II, Kraftwerk, Harmonia, Fehlfarben, ECM and Mille-Plateaux Records. Meine Gesangsausbildung habe ich bei einem brillanten Dozenten namens Isiah Lurrie absolviert. Er war auch der Stimmbildner von Luther Vandross. Als er mich zum ersten Mal singen hörte, sagte er, ich solle nach Europa ziehen, weil er der Meinung war, dass meine Stimme internationalen Charme hat und dass meine besondere Kunst hier mehr geschätzt würde als in den USA. 2003 herrschte allgemein die begeisterte Einschätzung, dass Berlin auf dem schnellen Weg zur Künstlerhauptstadt der Welt war, was meine Entscheidung, hierher zu kommen, einfach machte. Ich liebe Berlin!

Foto: M. Rädel

WAR DAS EIN KULTURSCHOCK?

Nein, nicht wirklich. Ich habe schnell entdeckt, dass die Menschen eigentlich überall gleich sind. Es gibt Menschen, denen man vertrauen kann, und anderen eben nicht. Es gibt solche, die man mag, und andere, die man nicht leiden kann. Dieselben Typen und Charaktere aus meiner Heimat Washington, D.C. warteten hier in Berlin auf mich, als ich ankam. Sie sprachen nur eine andere Sprache. Der größte Unterschied war, mich an die Ladenschlusszeiten zu gewöhnen. In den USA kann man alles, was man möchte, Tag und Nacht einkaufen. Da ich als Musiker immer bis spät zu tun habe, war es für mich normal, um drei Uhr morgens zum Supermarkt zu gehen. Hier kann ich das nicht machen. Nun, ich wollte einen ruhigeren Lebensstil, also muss ich mich wohl auch daran gewöhnen.

WIE IST DENN DIE HIESIGE MUSIKSZENE? FUNKTIONIERT SIE ANDERS ALS IN DEN USA?

In der amerikanischen Musikszene geht es heute nur noch um das schnelle Geld und nicht mehr darum, Talente zu entwickeln. Musiker sind nichts weiter als Wegwerfprodukte, die schnell ausgebeutet und ausrangiert werden können. In Deutschland wird das Talent und die Erfahrung eines Künstlers geschätzt und respektiert, und seine Fans sind loyal. Ein Beispiel dafür ist, dass Nena immer noch verehrt wurde, als die junge, talentierte Lena aufkam. Man hat sich der älteren und erfahreneren Künstlerin deswegen nicht entledigt. Trotzdem sehe ich wohl einen wachsenden Trend, der mehr in Richtung USA tendiert, und ich glaube, das ist ein großer Fehler. Deutschland hat genügend talentierte Musiker, Plattenfirmen und kreative Medienunternehmen, um einen Trend in der Musikindustrie zu setzen und nicht blind zu folgen. Es ist eine spannende Zeit, um Musiker zu sein, zumal sich die Industrie als Ganzes neu erfinden muss, um zu überleben.

WIE WICHTIG IST ES, AUF PARTYS ZU GEHEN, UM KONTAKTE ZU KNÜPFEN?

In der Vergangenheit ja, aber jetzt, mit so vielen Musiknetzwerken und Social-Networking-Seiten im Internet, ist es nicht mehr so wichtig wie früher, und ich denke, das ist eine gute Sache. Zu viel Ausgehen bringt auch Risiken wie Drogen- und Alkoholsucht mit sich. Auch stellen sich manche Leute unter Erfolg in der Musikindustrie vor, berühmt zu werden. Für diese Leute sind Partys unverzichtbar. Ich meine das als Warnung an jüngere Musiker. Es kann eine schockierende Erkenntnis sein, wenn man zu viel Zeit mit der Suche nach Berühmtheit verbracht hat und dann jüngere und weniger talentierte Musiker einen Plattenvertrag bekommen und großen Erfolg haben sieht. Es ist ein echter Schlag ins Gesicht, ein Weckruf, wenn man feststellt, dass sie die Erfolgsleiter hochgeklettert sind, während du selbst auf Partys warst.

Foto: susisorglos, pixabay.com, gemeinfrei

WIE WIRD DEIN ALBUM KLINGEN?

Das Album ist eine Sammlung von elektronischen Popsongs, die verschiedene Genres durchqueren und mischen. Es heißt Tarred & Feathered (Geteert & Gefedert), als Wortspiel mit Bezug auf meine Identität als Schwarzer und offen Homosexueller.

Als ich 2004 neu hierher kam, erfuhr ich, dass Nina Hagen auf der Suche nach neuen Liedern für ihr nächstes Album war, und ich schrieb einen Song für sie mit dem Titel „Kinderwagen“. Jeder, der ihn hörte, sagte, es würde ein Top-Hit werden und dass ich verrückt wäre, ihn ihr zu überlassen – also behielt ich ihn. Als ich merkte, dass ich so erfolgreich Lieder für einen anderen Künstler schreiben kann, nutzte ich dies als Vorlage für die Komposition von Tarred & Feathered. Die Prämisse ist also die Vorstellung, dass ich von großen Popstars kontaktiert wurde, um ihre nächste Hit-Single zu schreiben. Ich gab mir selbst eine Frist von einem Monat für jeden Song. So komponierte ich Lieder „für“ Madonna, Robbie Williams, Katy Perry, Lena und andere – insgesamt zwölf Songs. Diese Annahme und der Druck des Zeitlimits haben tatsächlich funktioniert, denn ich denke, dass dies die besten Lieder sind, die ich je komponiert habe. Ich würde gerne wirklich für andere Sänger schreiben, und jetzt bin ich total zuversichtlich, dass ich das kann – und zwar mit großartigen Ergebnissen!

SIND AUCH ANDERE MUSIKER BETEILIGT?

Nein, ich bin bislang eine Ein-Mann-Band. Ich schreibe, arrangiere, produziere und spiele alles selbst. Ich genieße es, allein und isoliert zu arbeiten. Ich habe herausgefunden, dass meine Arbeitsethik und Methoden für andere Musiker eine, nun ja, Herausforderung sind, und meine Inspirationen kommen meistens in den frühen Morgenstunden, wenn die meisten Menschen schlafen. In dieser Zeit passiert das Magische für mich. Ich bin wie ein verrückter Wissenschaftler und mein Tonstudio ist mein Labor. Während dieser kreativen Phasen isoliere ich mich völlig: kein Radio oder Fernsehen, und ich schalte mein Telefon ab. Oh, und kein Sex, das wäre eine Ablenkung!

Foto: rsb

WO TRIFFT MAN DICH ABENDS?

Ich liebe elektronische Ambient-Musik, Experimental, Glitch, Noise, Drone, Isolationism. Also gehe ich zu Konzerten, Klubs und Veranstaltungen, wo diese Underground-Künstler spielen. Ich liebe auch abstrakte Kunst. Wenn Galerien spät geöffnet sind, gehe ich mit meinem iPod voller Ambient-Musik hin. Das ist gleichermaßen entspannend und fesselnd. Eine Jackson-Pollock-Ausstellung zu erleben und dabei Tim Hecker zu hören ist übersinnlich.

Ich habe eine Leidenschaft für deutsches experimentelles Theater und gehe zu solchen Aufführungen, so oft ich kann. Einmal habe ich mir ein experimentelles Puppentheater angesehen, das so absonderlich war, dass ich davon Alpträume bekam ... aber ich mag das. Ich genieße es, wenn Kunst und Darbietungen eine Nachwirkung haben, ob gut oder schlecht. Das ist auch mein eigener Ansatz: Ich bin sicherlich kein Superstar, aber ich garantiere, dass man nicht vergessen wird, mich spielen gesehen zu haben. Ich habe viele Jahre gearbeitet und trainiert, um die Fähigkeit zu erlangen, eine Nachwirkung zu hinterlassen.

*Interview: Michael Rädel  

Back to topbutton