Bonnie Tyler: „Wir sind noch sehr lebendig, Darling“

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Foto: earMusic/Tina Korhonen

Die Waliserin mit der rauchigen Mordsröhre, die jetzt ihr starkes neues Album „The Best Is Yet to Come“ veröffentlicht, hat auch kurz vor ihrem 70. Geburtstag so rein gar nichts von ihrer Lebensfreude eingebüßt. Im Gegenteil.

Dass sie nicht auf TikTok tanzen oder sich auf Instagram im Bikini räkeln musste, um ihre Popkarriere in den späten Siebzigern anzuschieben, bereut Bonnie Tyler nicht im Geringsten. „Wäre ich heute 19 und nicht 69, dann würde ich das Spiel wahrscheinlich mitspielen, aber ich bin froh, dass es bei mir damals noch auf die althergebrachte Art funktionierte.“ Tyler, die aus einer Kleinstadt in Wales stammt und nach der Schule zunächst Make-up und Klamotten verkaufte, bewarb sich ganz klassisch und erfolgreich auf eine Zeitungsannonce, in der eine junge Frau als Harmoniesängerin gesucht wurde. An sechs Abenden pro Woche sang sie, „oft in Klubs für hart arbeitende Männer in den Bingo-Pausen oder neben der Dartscheibe“, so ziemlich alles – von Blues über Rock bis zu Tanzmusik.

Foto: earMusic/Tina Korhonen

Lange blieb ihre Stimme nicht im „Verborgenen“, mit „Lost in France“ gelang Bonnie in den späten Siebzigern ihr erster Hit, der vor allem in Deutschland zündete („Auf deutschen Bühnen habe ich den letzten Rest meiner Schüchternheit eingebüßt“). Was folgte, war eine Weltkarriere mit unvergessenen Hits wie „Total Eclipse of the Heart“ oder „Holding Out for a Hero“. Bonnie Tyler war im Grunde nie weg, dennoch erlebt die kesse Britin in den letzten Jahren eine Art Renaissance. Das Album „Between the Earth and the Stars“ überzeugte 2019 unter anderem mit Duett-Partnern wie Rod Stewart und Cliff Richard, auf ihrem neuen Werk „The Best Is Yet to Come“ begeistert Bonnies kraftvolle Stimme ganz im Alleingang. „Als ich den Titelsong hörte“, so Tyler, „wusste ich sofort: ‚Das bin ich‘. Überhaupt ist dieses gesamte Album total und definitiv Bonnie. Ich habe es ganz kurz vor Corona mit dem Produzenten David Mackay aufgenommen. Der gute alte David. Wir hatten schon 1978 ‚It’s a Heartache‘ zusammen gemacht. Und ich dachte die ganze Zeit so: ‚Wahnsinn, ich fühle mich wieder wie damals, wie mit 26‘. So frisch und voller Enthusiasmus.“

Bonnies Lebenslust ist in den neuen Songs nicht zu überhören und auch ihre Texte kommen mitunter jugendlich ungestüm, geradezu frivol daher.

„Nicht wahr? Es geht ganz schön zur Sache, in ‚Call Me Thunder‘ zum Beispiel. Ich hatte erst Bedenken, ob die Nummer für eine fast 70-Jährige nicht etwas zu wild und explizit sei. Mein Produzent David meinte nur: ‚Quatsch, du kannst das machen‘. Also singe ich über das, was mein Mann und ich einst so am Strand getrieben haben … und vielleicht immer noch treiben (lacht). Wir sind noch sehr lebendig, Darling.“

Das glaubt man gern, zumal das Paar – Bonnie Tyler und der Immobilienentwickler Robert Sullivan sind seit 1973 verheiratet – immer noch gerne Neues ausprobiert. „Im goldenen Alter von 69 Jahren hat mein Mann mir im vergangenen Sommer tatsächlich das Schwimmen beigebracht“, prustet Bonnie. Die beiden halten sich seit März 2020 ohne Unterbrechung in ihrer Villa an der Algarve auf, gehen viel spazieren oder kochen gemeinsam, was man halt so macht in Pandemiezeiten. „Aber irgendwann kam der Punkt, an dem ich entschied: Ich will das jetzt endlich lernen.“ Ins tiefe Wasser traue sie sich noch nicht, gibt Bonnie zu, und auch ins Meer wage sie sich nur so weit vor, solange sie noch stehen kann: „Es ist noch Luft nach oben. Ich habe jetzt richtig Blut geleckt.“ *Steffen Rüth

www.bonnietyler.com

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