Calvin Harris, der Junge aus Schottland

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Foto: Ministry of Sound Recordings Germany

Als seine Karriere begann, war er nur ein schüchterner Junge, der einfach Glück gehabt hat. Calvin Harris sah damals aus, als könnte er nicht begreifen, was um ihn herum geschah: Eben war er noch ein unbekannter Musiker auf MySpace – einen Moment später hatte er einen Vertrag und stand im Studio mit Kylie Minogue.

Dabei war er doch nur ein Junge aus Schottland, aufgewachsen in einer Kleinstadt namens Dumfries. „Viele Pubs, viele Kühe!“, fasste er es damals zusammen. Am Wochenende verließen die Leute das Haus nur, um sich besinnungslos zu trinken, Calvin hingegen spielte lieber mit seinem Atari Sequenzer rum. Irgendwann verließ er das Nest, um mit seinen über ein Jahr gesparten 4000 Pfund in London zu leben und dort an seinem Durchbruch als Produzent für elektronische Musik zu arbeiten. Zwölf Monate später war er pleite und zurück in Dumfries. „Es war ein Desaster“, gestand er damals. „Alles lief schief.“

Wieder zu Hause entwickelte er endlich den housigen, poppigen Sound, für den sein erstes Album „I Created Disco“ stand. „Und dann ging ich zu MySpace, weil ich gelangweilt war. Ich lud vier Songs hoch und addete viele Freunde, möglichst Leute von Plattenlabeln, um zu sehen, was sie davon hielten.“ Kurze Zeit später hatte Calvin Harris besagten Vertrag in der Tasche und konnte seinen Job bei Marks & Spencers aufgeben. Und das Erste, was er danach zu tun bekam, war mit Róisín Murphy zusammen zu arbeiten. Es war etwas ins Rollen gekommen, das niemand mehr aufhalten konnte …

So war Calvin schon 2009, als „Ready for the Weekend“ erschien, kaum noch wiederzuerkennen. Er hatte plötzlich Termine und Aufträge in einem Umfang, dass einem schwindlig wurde, noch dazu wurde er in einem Tempo reich, das jeden aus der Bahn werfen muss. Kurze Zeit später gehörte er schon zu den bestbezahltesten DJs und Produzenten der Welt, arbeitete mit den erfolgreichsten Musiker*innen und lebte zwischen den größten Stars – wenn er sie nicht gleich auch noch datete, wie bei seiner kurze Beziehung mit Taylor Swift. Der Junge aus Schottland war jetzt selbst eine Berühmtheit.

Mittlerweile gibt es kaum noch einen bekannten Namen, mit dem er über die Jahre nicht zusammengearbeitet hat, ob für deren Tracks oder seine eigenen Alben. So fanden sich schon 2017 auf „Funk Wav Bounces Vol. 1“ Frank Ocean, Pharrell, Ariana Grande oder Nicki Minaj zusammen. Doch vor allem zeigte „Vol. 1“  einen Calvin Harris, der Frieden mit seinem Leben gefunden hat – er wirkte angekommen. Der Sound war relaxed und perfekt für einen Sommer zwischen Entspannung und Partys, die keinen Exzess mehr nötig haben.

Jetzt, auf „Funk Wav Bounces Vol. 2“, setzt er genau da wieder an. Mittlerweile, als ein Elder Statesman des Popgeschäfts, wirkt es als würde er einfach mit Freunden am Pool abhängen. Nur dass seine Freunde Dua Lipa, Charlie Puth, Justin Timberlake oder Halsey heißen. Calvin lebt hier ganz entspannt seine poppige Seite genauso aus wie seine funkige, und hinter allem feiert er seine Liebe zu modernem Soul und Hip-Hop. Was er sich damals noch nicht getraut hatte, denn er fand, dass es lächerlich für einen neunzehnjährigen weißen Jungen aus Schottland wäre, R&B oder Rap zu machen. Doch für den Megaproduzenten Calvin Harris, der Snoop Dogg zu seinen Buddys zählt …? So passt „Vol. 2“ perfekt zum entspannten Ende eines Sommers: Noch einmal die Beine hochlegen oder sanft grooven, am besten mit Meerblick und einem Cocktail in der Hand. Auf dich, Calvin!  *Christian K. L. Fischer

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