INTERVIEW ★ BOY GEORGE

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Foto: www.instagram.com/boygeorgeofficial

Boy George gehört nicht nur zu den schrillen Popikonen und Paradiesvögeln des Showbusiness, sondern auch zu den Avantgardisten der Schwulenbewegung. DJ Jolly traf den Sänger von Culture Club und Jesus Loves You („Karma Chameleon“, „Sweet Toxic Love“, „Do You Really Want to Hurt Me?“, „Generations of Love“ ...) in Stuttgart zum Interview. Lest selbst, was Boy George über sein Verhältnis zu Holly Johnson (Frankie goes to Hollywood), Band Aid und die heutige Situation von Homosexuellen zu sagen hat.

DU WARST GERADE IM RAHMEN DER „NOKIA NIGHT OF THE PROMS“ IN EUROPA AUF TOURNEE. WIE FÜHLT ES SICH AN, WIEDER IN ARENEN MIT GROSSEN BÜHNEN VOR VIELEN LEUTEN ZU SPIELEN ?

Es ist für mich sehr locker und entspannt. Wenn ich sage, dass es einfach ist, soll das die Veranstaltung aber nicht abwerten. Es bedeutet nur, dass es mir sehr gefällt. Es ist möglicherweise die entspannteste Tour, die ich je mitgemacht habe, und ich habe wahrlich schon sehr viele Tourneen hinter mir. Wenn es nach mir ginge, könnte ich das ganze Jahr mit der „Night of the Proms“ unterwegs sein.

DU WARST IN WICHTIGER TEIL VON BAND AID MIT DEINEM SOLO BEI DO THEY KNOW ITS CHRISTMAS. WELCHE ERINNERUNGEN HAST DU AN DEN 24. DEZEMBER 1984?

Ich weiß noch, dass niemand so recht ahnte, worauf er sich da einlässt, als ich gefragt wurde, ob ich da mitmache. Ich wurde mitten in der Nacht in Amerika von Bob Geldof angerufen. Er war gegen 3 Uhr in New York und ich hatte eben meine USA-Tournee beendet, als ich aus dem Schlaf gerissen wurde. Er redete auf mich ein, dass er eine große Sache vorhat, ich sofort nach London kommen solle und so weiter. Wie all die anderen Künstler hatte ich keine Ahnung, was da auf mich genau zukommen würde, als ich mich in das Studio begab. Nach und nach erst wurde uns klar, dass dies eine Riesensache geben wird. Es war verrückt, aber es war bezaubernd.

HAST DU HEUTE NOCH KONTAKT ZU DEN ANDEREN KÜNSTLERN DES PROJEKTS, ZUM BEISPIEL MIT BONO VOX VON U2, PAUL MC CARTNEY, MIDGE URE ODER HOLLY JOHNSON VON FRANKIE GOES TO HOLLYWOOD?

Midge Ure zum Beispiel (Anm.: Sänger von Ultravox) treffe ich von Zeit zu Zeit und bei Gelegenheit. Mit Holly Johnson bin ich gut befreundet, genauer gesagt endlich gut befreundet. (lacht) Hat ja lange genug gedauert. Es ist eigentlich eine Schande, dass gewisse Differenzen unserer Freundschaft so lange im Wege standen. Wir haben inzwischen erkannt, dass wir mehr gemeinsam haben, als was uns trennt. Das war in den Achtzigern noch anders.

IN DEINEM LIED NO CLAUSE 28 FORDERTEST DU DIE ABSCHAFFUNG DER DISKRIMINIERUNG VON HOMOSEXUELLEN IN ENGLAND. DIESER PARAGRAPH 28 IST INZWISCHEN ABGESCHAFFT. WAS HAT SICH DADURCH GEÄNDERT?

Ich denke, gerade die Achtziger waren die Zeit der großen Veränderungen und Entwicklungen. Wenn man aber berücksichtigt, dass wir heute in einer sogenannten aufgeklärten Welt leben und man schaut dann aber nach Afrika oder auch in einige europäische Staaten ... Na ja, wie sich die Dinge um die Homosexualität so verändert haben, ist doch eher besorgniserregend! Als ich damals rund um den Globus gefragt war und auch Treffen mit Regierungsvertretern hatte, konnte ich mich nicht verleugnen oder verstecken. Meine sexuelle Orientierung war rasch auf der ganzen Welt bekannt. Ich hatte nur den Vorteil, dass man es mir als Künstler auch zugestand.

FÜHLST DU DICH ALS EINEN TEIL DER BEWEGUNG, DIE MITVERANTWORTLICH FÜR DEN ABBAU VON DISKRIMINIERUNG IST GEMEINSAM MIT SCHWULEN AUS ANDEREN BANDS VON DAMALS WIE BRONSKI BEAT, FRANKIE GOES TO HOLLYWOOD ODER ERASURE?

Wir alle sind ein Teil dieser Entwicklung. Aber manchmal habe ich das Gefühl, dass vieles davon inzwischen auf der Strecke geblieben ist. Das soll jetzt nicht allzu pessimistisch klingen, aber ich meine, wenn du homosexuell bist, kannst du es einfach nicht verstecken. Ich habe vielleicht Sonderrechte wegen meiner Berühmtheit, aber wie sieht das an der Basis aus? Für die Dragqueen, die durch die Straßen läuft, ohne eine Berühmtheit zu sein, hat sich doch leider nicht viel geändert, gesellschaftlich gesehen.

DU WURDEST WEGEN DEINER FEMININEN ART UND KLEIDUNG IN DEN 1980ERN VON VIELEN LEUTEN GERADEZU VERGÖTTERT, VON DEN KONSERVATIVEN ABER ERNTEST DU NUR HOHN UND SPOTT ...

Wenn man jung ist, denkt man immer: Nur ich habe recht und alle anderen sind im Unrecht. Ich denke, das liegt in der Natur der Jugend. Ich fand schon im Alter von 16 oder 17 Spaß daran, Leute mit meiner Ich gegen die Welt-Einstellung zu konfrontieren. Es hat mir auch Erfolg gebracht und ich habe mich auch nicht in der Position gesehen, mich rechtfertigen zu müssen. Ich hatte meine Stimme, und wenn ich gesungen habe, habe ich mich dadurch mitgeteilt. Man konnte mir eigentlich nicht wirklich wehtun.

DU HATTEST ALSO EIN GROSSES SELBSTBEWUSSTSEIN?

Ich weiß nicht, ob es am Selbstbewusstsein lag. Ich war zumindest in der Lage, alles durch meine Verwandlungen und durch schönes Aussehen zu kaschieren. (lacht) Selbstbewusstsein ist ein Prozess des Älterwerdens das braucht eher seine Zeit im Leben.

KÖNNTEST DU DIR VORSTELLEN, HEUTE WIEDER MIT CULTURE CLUB EIN NEUES ALBUM ZU MACHEN UND EVENTUELL WIEDER AUF TOURNEE MIT DER BAND ZU GEHEN ?

Ja, wir werden 2012 wieder eine Tour machen. Wir haben lange darüber nachgedacht und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass 2012 unsere letzte Chance sein wird, noch mal was auf die Beine zu stellen. Es ist unser 30-jähriges Jubiläum, und weitere zehn Jahre warten wir sicher nicht auf die nächste Gelegenheit.


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