INTERVIEW: Lauv „Meine Karriere hätte mich fast aufgefressen“

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Foto: E. Miranda

„~how i'm feeling~“ heißt Lauvs neues Album. Darauf gibt der kalifornische Pop-Prinz ausführlich und facettenreich Auskunft über seine emotionale Befindlichkeit.

Foto: Chris Noltekuhlmann

Als Lauv, eigentlich heißt er Ari Leff, mit dem Songschreiben für sein erstes eigenes Album begann (das 2018 erschienene „I Met You When I Was 18“ mit dem Megahit „I Like Me Better“ drauf gilt nach seiner eigenen Definition als „Playlist“), war er am Tiefpunkt seines bisherigen Lebens angekommen. Die Kurzzeitfreundin, Pop-Singer-Songwriterin Julia Michaels, nach wenigen Monaten schon wieder weg, hockte Lauv allein und antriebslos in seinem Haus in Los Angeles und litt. „Ich lebte praktisch nur noch online“, sagt der 25-jährige Sohn einer in der HIV-Forschung tätigen Medizinerin, der in San Francisco zur Welt kam, später in Atlanta lebte und in New York Musiktechnologie studierte, bevor er nach LA zog. „Ich war einsam und fing ein bisschen an, den Bezug zur wirklichen Welt sowie den Kontakt zu meinen Freunden zu verlieren. Stattdessen war ich schrecklich besessen davon, was andere Leute über mich im Internet schrieben. Meine Karriere, die mich so schnell nach vorne katapultiert hatte, stresste mich und hätte mich fast aufgefressen.“ Lauv machte zweierlei: Er schrieb mit dem sehr offenherzigen „Drugs & The Internet“ (das nun auch „~how i'm feeling~“ eröffnet) das erste neue Lied nach Monaten. Und er ging endlich zum Arzt. „Als ich die Diagnose bekam, an Depressionen und einer Angststörung zu leiden, war das weniger ein Schock als vielmehr eine Befreiung. Ich bekam Medikamente verschrieben, gegen die ich mich erst sträubte, doch bald spürte ich, wie sehr die Tabletten meinen Zustand verbesserten.“

Foto: L. Dunn

Lauv konnte sich nun wieder auf das konzentrieren, was er eigentlich am meisten liebte: seine Musik. Ursprünglich hatte er geplant, eine Komponistenkarriere im Hintergrund zu starten – er schrieb beispielsweise einen Song für Charli XCX und auch einen für Céline Dion –, doch dann veröffentlichte er während des Studiums ein Stück im Netz und dann noch eins und dann noch eins … „Plötzlich erkannte ich, was da möglich ist. Es war der Wahnsinn.“ Auf dem Rücken von „I Like Me Better“ tourte er um die Welt, und Ed Sheeran lud ihn sogar ein, seine Stadionkonzerte zu eröffnen. „Die Tour mit Ed war nicht so beängstigend, wie ich es befürchtet hatte, sie war sogar richtig toll, und Ed ist sowieso der süßeste und liebste Kerl, den es gibt. Wir haben ein bisschen zusammen geschrieben, und ich habe von ihm lernen können, was es heißt, schnell und effizient zu arbeiten.“

Foto: Stefan Kohli

Und so versammelt Lauv nun neben „Drugs & The Internet“ noch zwanzig weitere Lieder auf „~how i'm feeling~“. Sie lassen sich kaum über einen Kamm scheren. Stilistisch dominiert melancholischer Synthiepop, doch es gibt immer wieder Ausreißer. „Dieses Album beinhaltet wirklich alles“, so Lauv. „Darunter einen Song über meine Lieblingsbar, einen über meine Mutter und einen über meinen Hund.“ Der heißt Billy und kam zu Lauv, als sein Zustand sich zu bessern begann. „Ich wollte schon lange einen Gefährten, hatte aber auch Angst vor der Verantwortung. Billy ist ein Zwergspitz, der denkt, er sei ein großer Hund. Er ist für mich eine sehr wichtige emotionale Unterstützung.“

Zu den Höhepunkten auf der Platte zählen natürlich auch Lauvs diverse Duette, darunter das mit Kumpel Troye Sivan („I’m So Tired“), „Fuck I’m Lonely“ mit Anne-Marie und „Who“, eine Zusammenarbeit mit BTS. Dass es im südkoreanischen K-Pop, deren erfolgreichste Vertreter die Boys von BTS sind, zuletzt eine Reihe von Suiziden gab, bringt uns schließlich noch mal auf das Anfangsthema zurück. „Ich finde es extrem wichtig und potenziell lebensrettend, dass Musiker seit einiger Zeit viel offener über Depressionen und psychische Krankheiten sprechen. So viele Leute kämpfen mit Ängsten oder Depressionen, oft auf noch weit schlimmere Weise als ich, und je mehr Menschen in der Öffentlichkeit darüber reden, desto mehr hilft das den anderen Betroffenen.“ Lauvs Regel Nummer eins: genug Schlaf. „Ich bin oft überdreht und komme oft schlecht zur Ruhe. Aber alle paar Nächte verabrede ich mich zu einem richtigen Date mit meinem Bett.“

*Interview: Steffen Rüth

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