Lauv: Ari sucht das Glück

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Foto: Vince Aung

Lauv ist längst ein weltweit erfolgreicher und angesehener Popstar. Glücklich ist der US-Amerikaner jedoch nicht. Mit seinem neuen Album versucht er sich nun selbst ein Stück weit näherzukommen.

In „Hey Ari“, dem neunten der 13 Stücke seines zweiten Albums „All 4 Nothing“ stellt sich Lauv die Frage aller Fragen schließlich selbst. „Hey Ari, are you happy?“, will der 27-jährige Popmusiker, der mit bürgerlichem Namen Ari Leff heißt, gern wissen, und erfreulicherweise gibt er sich in der sehr zurückhaltend instrumentierten, beinahe nackten Akustikfolk-Nummer auch die Antwort: „Yeah, for sure“. So richtig hundertprozentig überzeugend klingt das allerdings nicht, lieber Ari. „Es ist auch immer noch alles ein wenig wacklig, was mein Befinden betrifft“, erzählt dieser nun im Videointerview, morgens um sage und schreibe 7:30 Uhr auf dem heimischen Sofa in Los Angeles hockend, die beiden bellenden Hunde im Hintergrund freundlich ignorierend. „Was ich sagen kann, ist, dass es mir besser geht. An manchen Tagen geht es mir auch richtig gut. An anderen bin ich nicht so sicher.“

Lauv, der sich im Gespräch schnell als liebenswürdig und offen erweist, hat das Thema „mental health“ gewissermaßen zum Dreh- und Angelpunkt seiner popmusikalischen Arbeit gemacht. Man weiß, weil er darüber redet, dass er an Zwangsstörungen leidet und Medikamente nimmt, wer Näheres über sein nicht immer konstruktives Verhältnis zu Drogen, Alkohol oder Internet erfahren will, der muss nur Nummern wie „Molly in Mexico“ hören, und dass es mit der Liebe zu den, in Lauvs Fall, Frauen vergleichsweise diffizil ist, dafür steht er gewissermaßen mit seinem Gesamtwerk. Wenn er dann doch mal ein glückliches Liebeslied schreibt, so wie das immens eingängige Titelstück „All 4 Nothing (I’m So In Love)“, „dann kann man schon quasi davon ausgehen, dass kurze Zeit später alles in Flammen aufgeht“, so Ari selbstironisch. „Trotzdem ist es schön, einen echten Love Song über meine damalige Freundin und mich zu haben, allein schon, um das Gefühl immer wieder wachrufen zu können, dass ich zu der Zeit hatte.“ So lange sei das noch gar nicht her, und, so Ari nun ungewohnt zurückhaltend, das allerletzte Wort in dieser Verbindung sei wohl auch noch nicht gesprochen, „aber, so viel kann ich sagen, die Liebe ist eine hochkomplizierte Angelegenheit.“

Wobei Lauv freilich auch – im Leben wie in den Liedern – mit der Liebe zu sich selbst hadert. Seinen großen globalen Durchbruch feierte der Mann, der Studiotechnologie studierte, ursprünglich hinter den Kulissen wirken wollte, aber dann durch Songs auf MySpace von sich reden machte, bekanntlich vor fünf Jahren mit dem über zwei Milliarden Mal gestreamten Song „I Like Me Better“. Und auch auf seinem Debütalbum „How I’m Feeling“ setzte er sich drei Jahre später ausgiebig mit sich selbst auseinander – Songs wie „Fuck, I’m Lonely“ (mit Anne-Marie) oder „I’m So Tired“ (mit Troye Sivan) dürften vielen noch im Ohr sein. Und auch auf „All 4 Nothing“ übt sich Lauv in gründlicher Selbstbespiegelung. „Ich hatte mich nach dem Erfolg wirklich gewundert, warum ich nicht besser drauf war“, sagt er. „Es war eigenartig: Alle beglückwünschten mich, aber mein persönliches Glücksempfinden war gleich Null.“ Direkt im ersten Song, „26“ heißt der, fragt sich Lauv, nun „26 and rich“, „warum auch ein nettes Haus und Geld auf dem Konto nichts an meiner inneren Unruhe und an meinen Ängsten geändert haben.“

Die Antwort kennt er noch immer nicht, aber durch die Arbeit an „All 4 Nothing“ sei er sich selbst merklich nähergekommen, sagt Lauv. Komplett verzichtet der Mann, der schon mit Ed Sheeran auf Stadiontour war und neben den schon Genannten auch mit BTS oder Ellie Goulding sang, dieses Mal auf Kollaborationen. Und statt sich sechs Kunstfiguren auszudenken wie noch auf „How I‘m Feeling“, spricht er auf dem neuen Album aus nur einer einzigen Perspektive: der eigenen. *Interview: Steffen Rüth

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