Interview: „Kann ich das mal hören, dieses Rosenstolz“

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Foto: Olaf Becker

Eine sehr gelungene Überraschung war das Ende August, als mit „Wenn es jetzt los geht“ plötzlich ein neues Stück von Rosenstolz veröffentlicht wurde.

Obwohl das Produzenten-Duo aus Ulf Leo Sommer und Rosenstolz-Mann Peter Plate durch zahlreiche Produktionen für Sarah Conner, Bibi Blocksberg oder zuletzt Barbara Schöneberger nie ganz vom Radar verschwunden war und auch AnNa R. ja mit Gleis 8 durchaus weiter sichtbar und vor allem hörbar blieb, hatte man von den Arbeiten am Rosenstolz-Comeback tatsächlich so gar nichts mitbekommen. Nicht einmal als Fan oder Musikjournalist.

Nun ist also mit „Lass es Liebe sein“ eine richtig große und vor allem von AnNa und Peter selbst zusammengestellte Werkschau mit remasterten und teilweise neu eingespielten Rosenstolz-Hits und vier bisher unveröffentlichten Liedern erschienen. In verschiedenen Varianten – von der Best-of-Doppel-CD bis zur „Vier-CD-plus-DVD“-Version mit 77 Titeln. Wir trafen Peter und sprachen über Neuanfänge, Erdbeerkuchen und natürlich die neuen und alten Stücke.

Wie ging es Dir in der Rosenstolz-Pause? Für mich als Langzeit-Fan war es zwar traurig, aber es gab auch so ein Gefühl, dass das Kapitel auch irgendwann mal geschlossen gehört.

Als AnNa und ich uns entschieden hatten in die lange, unbestimmte Pause zu gehen, habe ich es erstmal sehr genossen, das gar nicht mehr zu hören und mich davon frei zu machen. Ich hatte auch alles, was zu so einem Schritt dazu gehört: Diese Frage „wer bin ich“? Ulf und ich wollten uns unbedingt beweisen, dass wir als Autoren funktionieren, dass wir das können. Wohl jeder Künstler hat diese Phasen, wo er denkt, er kann eigentlich nichts. Dass alles nur Zufall war und man den Erfolg nicht verdient hätte.

Du hattest aber doch auch schon vorher zum Beispiel für 2Raumwohnung „36 Grad“ produziert und einige weitere richtige Hits ...

... schon, aber es hat uns keiner angerufen. Wir haben keinen Job bekommen. (Peter zögert etwas) Ich erzähle das, weil ich glaube, dass so etwas zum Leben dazu gehört. Wie gesagt. Wir bekamen keine Jobs und niemand rief an und wir dachten „Super. Das war’s also.“ Es war nur eine kurze Zeit, weil sich dann doch Detlev Buck für „Bibi und Tina“ gemeldet hat und wir mit Sarah Connor das Album produziert haben. Im Rückblick betrachtet war das toll. Wir haben es genossen, nochmal mit all den Zweifeln neu anzufangen. Genau wie AnNa und ich glaube ich die 1990er-Jahre bei Rosenstolz am meisten genossen haben. Nach oben macht immer viel mehr Spaß, als oben zu sein. Ich bin aber jetzt auch nicht so, wie Anette Humpe, die grundsätzlich nach drei Alben Schluss macht mit ihren Projekten. Aber die Pause von Rosenstolz war notwendig.

Warum hast Du dann wieder Lust bekommen, Dich mit Rosenstolz zu beschäftigen?

Auslöser war mein Freund. Als wir Auto fuhren – mein Freund fährt, ich natürlich nicht – hat er irgendwann gemeint „kann ich das mal hören, dieses Rosenstolz“. Und so ging es los. Ich hab mich dann immer wieder an „Wenn es jetzt los geht erinnert“ – AnNa und ich hatten davon mehrere Fassungen aufgenommen und wollten das immer auf einer dieser bekloppten Deluxe-Editionen raus bringen. Wir fanden die Ideen dieser Deluxe-Dinger immer schon ganz schlimm. Das mag seinen Sinn haben, wenn man als Künstler zu einem Album im Nachhinein noch mehr zu sagen hat, aber in Deutschland wurde das irgendwann zur Pflicht und man schmeißt dann noch fünf langweilige Akustikversionen hinterher, die kein Mensch hören will. Das wollten wir wenigsten anders machen und uns etwas mehr Mühe geben damals und deswegen haben wir halt jetzt noch vier Lieder. So ging es los.

Foto: Olaf Becker

„Lass es Liebe sein“ ist nicht nur eine Best Of, richtig?

Die Best Of, die von der Plattenfirma kam, wollten weder AnNa noch ich  zu dem Zeitpunkt und in dieser Form. Als ich mich immer weiter mit den Songs beschäftigt habe, habe ich gemerkt, dass einige Lieder ein kleines Make-up vertragen könnten. Ich hab aber versucht mich dem als Fan zu nähern, und da geht es mir immer auf den Geist, wenn eine Band unter einen Hit so einen Uffta-Uffta-Beat drunterlegt – das fällt für uns aus.

Wie bist Du vorgegangen? Hast Du Beispiele?

„Lass sie reden“. Das war live immer richtig großartig, die Aufnahme ist uns aber komplett misslungen. Wir hatten aber aus der Aufnahmesession im Audiostudio noch Lorenzos großartiges Saxophon-Solo und so herrliche Schlagerchöre. Voll Klischee. Also habe ich das noch mal neu zusammengestellt. Es klingt ein wenig wie in den 1960ern Vicky Leandros oder so. Ich finde die neue Version einfach schön, und sie ist auch eine Hommage an Lorenzo, der ja inzwischen leider verstorben ist. Ein anderes Beispiel ist „Der Moment“, da hatten wir nur noch AnNas Gesangsspur in guter Qualität, die komplette Musik habe ich neu eingespielt. Also einspielen lassen von Musikern. (lacht)

Bei „Sex im Hotel“ haben wir ein bisschen mit dem Jetzt geflirtet. Und dann gibt es noch „Drüberstehen“. Das war der erste Song, den ich nach meinem Burn-out geschrieben habe.

Worum geht’s da?

Wenn du mit diesen Therapien anfängst, geht das ganz Klischeegewitter los. Vieles davon ging mir auch ziemlich schnell auf den Geist. Du musst das alles nämlich für dich selber klar ziehen. Das sagen wir auch in dem Lied: Du kannst nach Indien oder ins Bergwerk gehen. Egal was du machst, du wirst dich mitnehmen. Du kannst dich nicht zuhause lassen. Die einzige Lösung ist, sich selber aus der Scheiße zu ziehen.

„Ich trag heut Weiß (denn du bist tot)“ klingt nach typischem Titel aus den 1990ern ...

Absolut. Wir haben es damals nicht weiter produziert. Wir hatten es für Kassengift aufgenommen. Damals war es ja noch sehr aufwendig und teuer, ins Studio zu gehen. Ich hatte alle Demos in mein Keyboard reinprogrammiert und damit bzw. mit einer Diskette ist man dann ins Studio und musste alles umformatieren ... Wir hatten aber „Die schwarze Witwe“ und „Vampir“ – AnNa hat in der Phase so viele Männer umgebracht, da passt das einfach nicht auch noch. (lacht) Den Song haben wir jetzt auch noch mal komplett neu produziert und er wird glaube ich am meisten polarisieren. Klingt ein wenig so wie – naja – Pet Shop Boys trifft Stock Aitken Watermann und AnNa macht ihren Operngesang drüber.

Foto: Olaf Becker

Also sind die vier neuen Lieder auch stellvertretend für verschiedene Rosenstolz-Phasen ...

... Ja. „Wenn es jetzt losgeht“ ist das schönste, „Ich trag heut Weiß (denn du bist tot)“ das lustigste und dann gibt es mit „Lieber leb ich ungewöhnlich“ noch eins für Hardcorefans. Das habe ich zwischen „Das große Leben“ und „Die Suche geht weiter“ geschrieben. Das war so eine typische Künstlerphase: Du kommst von der Tour nach Hause und denkst nur noch „Ohhh. Wir brauchen einen neuen Stil.“ Und ich flirte ja immer gerne mit Elektro, aber immer wenn ich Elektro mache, wird es nicht  erfolgreich.

Leider!

Ja! Ich liebe Elektro, aber egal was ich in dem Genre mache, es wird nen Flop. (lacht)

Foto: Olaf Becker

Obwohl „Sternraketen“ und danach das Album „Macht Liebe“ mit meine Lieblingsphase waren lange Zeit.

Da ging es aber wirklich bergab. Da mussten wir richtig kämpfen und haben bei den Proben in der Berliner Columbiahalle festgestellt, dass das Album live einfach nicht funktioniert. Mit Internet war es – zum Glück – ja noch nicht ganz so schlimm wie heute, aber die Fanbriefe hatten es teilweise auch schon in sich. Das hat wirklich polarisiert.

Wie seid Ihr technisch vorgegangen beim Remastering?

Unterschiedlich. Die Masteraufnahmen sind ständig hin und her gewandert und man hat mal dies und mal das verbessert. Der technische Fortschritt ist ja unglaublich. Wahrscheinlich können wir das in fünf Jahren wieder machen. Ich gehöre aber nicht zu den Fetischisten, auch nicht zu denen, die immer sagen, früher war alles besser. Weil das stimmt nicht. Man gewinnt durch Remastering etwas, man verliert aber auch was. Ich bitte eigentlich alle, das pragmatisch zu sehen. Oder zu hören. Man kann ja auch das Alte sonst weiter hören, wenn man mag. „Das große Leben“ war zum Beispiel von der Dynamik super, aber es war viel zu leise, so dass du am Strand über Kopfhörer nix mehr verstanden hast. Das haben wir angehoben.

Letzte Frage. Du sprichst immer von „wir“ – inwieweit ist AnNa beteiligt gewesen?

Insofern, dass ich mich in AnNas Wohnung wiederfand und wir bei Erdbeerkuchen – sie weiß, dass ich Erdbeeren liebe – uns selbst interviewt haben. So eine Art „Radio Rosenstolz“ wie es früher zu jedem Album mit Anja Caspary gemacht wurde. Eigentlich sollte Ulf nur ruhig dabei sitzen, aber er kann nicht länger als drei Minuten still sein. Also gibt es jetzt dieses Radiointerview zwischen AnNa, Ulf und mir über die Alben, Rosenstolz, das Ende und die neue CD. Es ist sicher keine journalistische Glanzleistung und im Nachhinein haben wir auch bemerkt, dass ein Moderator, der die richtigen Fragen stellt sinnvoll gewesen wäre. Aber: Auf der anderen Seite haben wir soviel Spaß dabei gehabt und soviel gelacht, dass der Zuhörer und die Fans glaube ich bemerken, dass Rosenstolz nicht daran gescheitert ist, dass wir uns überhaupt nicht mehr leiden können, sondern dass das Leben einfach weiter gegangen ist. Wie du vorhin gesagt hast: Es war halt auch mal vorbei.

*Interview: Christian Knuth

www.rosenstolz.de

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