Joy Denalane: „Musik machen, die wir lieben“

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Foto: U. Rindermann

Foto: Universal Music

Auf ihrem neuen Album „Let Yourself Be Loved“ kreiert Joy Denalane (47) ihre urpersönliche Version des klassischen Soul der Motown-Ära.

Ist die Berliner Künstlerin jetzt bald ein Weltstar? Joy Denalane lacht, und zwar so richtig. „Ich bleibe da sehr entspannt und gucke einfach mal, was passiert“, sagt Deutschlands nach wie vor führende Soulfachkraft. „Mein Album wird jetzt in der Tat auch in den USA veröffentlicht, und was das für Folgen hat, das werden wir sehen. Das Ziel war nicht, ein Album für den amerikanischen Markt zu machen. Sondern Musik zu machen, die wir lieben.“ Fakt ist jedenfalls: „Let Yourself Be Loved“ ist das erste Album einer deutschen Musikerin, das beim legendären US-amerikanischen Soul-Label „Motown“ veröffentlicht wird, der musikalischen Heimat von Marvin Gaye, Aretha Franklin, Stevie Wonder, den Supremes oder den Jackson Five. Und das ist ein Coup. „Ich freue mich sehr über diesen Zuspruch und darüber, dass ein Label, das mich als Musikerin so geprägt hat und deren Künstlerinnen und Künstler ich unheimlich mag, sagt: ‚„Das ist ein spannendes Album. Wir wollen mit Joy arbeiten.‘“

Foto: U. Rindermann

Bereits vor fünf Jahren hatte Denalane, die 1999 im „Mit Dir“-Duett mit ihrem späteren Ehemann Max Herre bekannt wurde und 2002 mit „Mamami“ ein wegweisendes erstes Album veröffentlichte, in New York an Soulsongs gearbeitet, die den Motown-Geist der späten Sechziger- und Siebzigerjahre atmen, kam aber nicht weiter und widmete sich zunächst ihrer Platte „Gleisdreieck“. Sie sagt: „Wir haben das damals eigentlich ganz gut gemacht, aber den Sound noch nicht ganz richtig getroffen. Irgendetwas fehlte mir.“ Schließlich entschied sie sich, ihren langjährigen Freund und musikalischen Weggefährten Roberto Di Gioia, mit der Produktion zu betrauen – wenn auch beim zweiten Anlauf nicht in New York, sondern in München.

Gemeinsam haben sie ein bemerkenswertes Werk geschaffen. Selten klang die 47 Jahre alte Mutter zweier fast erwachsener Söhne spritziger, frischer und authentischer als auf „Let Yourself Be Loved“. Von den großen Klassikern inspirierte, aber doch vollkommen eigenständige Soulsongs wie „I Believe“ oder „Stand“ haben Tempo und Energie. „Ich wusste: Ich will ein Soul-Album machen“, sagt Joy, die als Kind ganze Tage mit der Plattensammlung ihres Soul und Jazz liebenden Vaters verbrachte. „Dementsprechend habe ich darauf geachtet, wie die Lieder aufgebaut sind. Für mich hätte es nicht gepasst, eine Nummer wie „I Gotta Know“ zurückgenommen zu singen. Da geht es um eine Botschaft, die man gerne auch laut und mit fester Stimme singt.“

Die Motown-Ära war geprägt von gesellschaftlichen Umbrüchen, von Bürgerrechtsbewegungen und dem Kampf gegen Rassismus. Ist das Album auch deshalb so zeitgemäß, weil wir diese Auseinandersetzungen gerade in ähnlicher Form wieder erleben? „Für mich als schwarze deutsche Frau ist Rassismus stets brandaktuell. Natürlich hat die Debatte jetzt durch traurige Anlässe und furchtbare Ereignisse wie den Mord an George Floyd eine neue Sichtbarkeit erreicht. Nach außen hat sich also verstärkt, was für mich innerlich immer ein großes Thema gewesen ist. Ein Thema, das sich auch durch mein Schaffen zieht. Dass die Platte nun so gut in die Zeit passt, hatte ich natürlich nicht geplant.“

Trotz aller Probleme sieht Joy die Gesellschaft grundsätzlich auf einem guten Wege. „Wir haben gerade die tolle Chance, über ein Thema zu sprechen, das durch die öffentliche Debatte in der Gesellschaft einen hohen Stellenwert gewonnen hat. Und ob jetzt Black Lives Matter, #MeToo, Diversity und vieles mehr – es stimmt mich sehr hoffnungsvoll, dass wir heute Diskussionen führen, die es so vor wenigen Jahren noch gar nicht gab“

*Interview: Steffen Rüth

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