Vertrauter Pop und fremde Wesen

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Foto: Sean J. Vincent

Die erfahrene englische Popsängerin glaubt fest an Ufos sowie an die grenzenlose Macht der Popmusik. Auf ihrem neusten Album „Here Come The Aliens“ gelingt es Kim Wilde, beide Passionen miteinander in Einklang zu bringen.

„Ja, was soll es den sonst gewesen sein?“, entrüstet sich Kim Wilde geradezu, als man beim Treffen in einem berlinmittigen Designhotel nur mal ganz sachte nachhakt, ob das denn wirklich, auf alle Fälle und ohne jeglichen Zweifel ein Ufo gewesen sei, das sie damals 2009 zusammen mit zwei Freundinnen am abendlichen Firmament erblickt habe. „Das Teil strahlte wahnsinnig hell, es war bestimmt hundert Mal so groß wie ein Flugzeug und es bewegte sich im Zickzack.“ Noch Fragen? Schon. Aufgeklärt wurde die Sache naturgemäß nie. Doch in dem Dorf in Hertfordshire bei London, in dem die 57-jährige Wilde mit Mann und den gerade flügge werdenden Kindern lebt, raune man bis heute über das mysteriöse Himmelsobjekt.

Wilde war acht, als die ersten Männer auf dem Mond landeten und sie zusammen mit ihrem Vater in wochenlanger Bastelarbeit die Apollo-Rakete nachbaute, die dann jahrelang auf dem Esstisch gestanden hat. Und so bildet das Extraterrestrische quasi die Klammer ihres ersten Albums mit neuen Songs seit 2010. „1969“ fantasiert eine – da wir den Planeten ziemlich traktiert haben, nicht zwingend megafreundlich geartete – Heimsuchung durch Erdfremde herbei, die finale Ballade „Rosetta“ besingt die gleichnamige Weltraumsonde, und das Albumcover selbst sieht aus wie ein Alien-B-Movie-Plakat aus den Fünfzigern.

Doch erfreulicherweise hat die Sängerin, die ab den Achtzigern zu den marktführenden Popstars des Planeten zählte, bevor sie heiratete, Kinder bekam, zehn Jahre pausierte, eine in England populäre TV-Gärtnerin wurde und 2006 vor allem in Deutschland und Holland ein prächtiges Comeback feierte, den Kopf nicht ausschließlich in den Wolken. Ganz handfester, packender, zeitloser Pop ist ihr in Gemeinschaftsarbeit mit ihrem Bruder Ricky, mit dem sie seit jeher ihre Lieder schreibt, gelungen. Es gibt zum Beispiel mit „Kandy Krush“ einen Song über Sex, der noch dazu vom eigenen Ehemann, Hal Fowler, handelt. „Mein Mann macht mich immer noch heiß“, teilt Wilde mit, „was eventuell auch damit zusammenhängt, dass er zehn Jahre jünger ist als ich.“ Man kann sich diese Frau sehr, sehr, sehr gut beim fröhlichen Damenabend im örtlichen Pub vorstellen. Aber Kim Wilde bringt auch ernste Themen glaubwürdig rüber. In „Cyber.Nation.War“ spricht sie sich vehement gegen Internet-Mobbing aus, und „Solstice“, das an „Four Letter Word“ erinnert, ist eine wahnsinnig traurig-schöne Ballade nach einer wahren Begebenheit über zwei Teenagerselbstmorde an Mittsommer in ihrer Region. „Als Mutter hat diese Nachricht mein Herz gebrochen.“

Dass Kim Wilde, die in Großbritannien immer mal wieder an Achtziger-Nostalgie-Tourneen teilnimmt, dem Jahrzehnt ihrer größten Chart-Erfolge auf „Here Come The Aliens“ huldigt, gehört nachdrücklich zum Konzept des Albums. Zu jedem der neuen Songs habe sie eine Referenz im Kopf, etwa Duran Duran, Billy Idol, Gary Numan, Elvis Costello. „Ich verneige mich vor meinen großen Idolen und empfinde Dankbarkeit und Stolz, wenn ich an meine Karriere denke“, sagt sie. „Ich will nicht unbescheiden sein, aber ich hatte wirklich eine Menge guter Songs.“

Mit ihrer neuen Single „Pop Don’t Stop“, Wildes charttauglichster Nummer seit Langem, könnte ihr auch endlich mal wieder ein Radiohit gelingen. „Ich würde mir wünschen, einen starken Akzent in dieser Phase meiner Karriere zu setzen“, so Kim Wilde. „Für mich kommen die Kraft der Melodien und die Wärme der Worte nie aus der Mode. Und ans Aufhören denke ich schon gar nicht. Ich begeistere mich für Musik, seit ich klein war. Das hört nie auf.“ Außer vielleicht, wenn die Aliens kommen und uns mitnehmen. *Steffen Rüth

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