King Princess: „Genderqueere Lesbe“

by

Wenn dir im Alter von elf Jahren ein Plattenvertrag angeboten wird (und das auch noch von einem Major wie Virgin Records), dann kann man froh sein, wenn es eine Familie gibt, die einen davon abhält, ihn anzunehmen. Aber da ihr Vater ein Studio in Brooklyn hat, wusste er genug vom Musikgeschäft, um mit klarem Verstand zu handeln.

Allerdings war die junge Mikaela Straus auch selbst zu clever, um in diese Falle zu stolpern, die so viele Wracks und kaputte Erwachsene hinterlässt. Sie wusste, dass sie noch nicht bereit war, obwohl ihr gleichzeitig klar war: „Das wollte ich schon immer. Ich würde Musik machen! Ansonsten hätte ich vielleicht geschrieben und wäre so eine heftige queere Autorin geworden.“ Aber dazu konnte es gar nicht kommen, denn sie ist praktisch in diesem Studio in Brooklyn aufgewachsen. Es war ihr persönliches Wunderland.

Im gewissen Sinn hat die kleine Mikaela die Entstehung der Alben von Künstlern wie Arctic Monkeys und vielen anderen begleitet. „Manche waren scheiße, manche waren gut“, lacht sie. Und wenn die Background Vocals mal wieder nichts taugten, rief ihr Vater auch schon mal Mikaela vor das Mikrofon. „Ich bekam meine Ausbildung in der Form, dass ich genau lernte, was ich nicht tun sollte.“ Deshalb hat sie jetzt, zwei Jahre nachdem Mark Ronson sie für sein neues Label unter Vertrag nahm, einen glasklaren Blick. „Ich bin eine 19 Jahre alte Bitch und eine Geschäftsfrau durch Osmose. Ich weiß, ich bin jetzt eine Firma.“ Darum hat sie auch so viele weitere Verhandlungen mit Labels abgebrochen bis Mark kam. „Das war einfach ein großartiges Angebot. Ich liebe Mark und ich vertraue ihm.“

Jetzt wird ihr Debütalbum „Cheap Queen“ erscheinen. Nach über 200 Millionen Streams allein für ihren Song „1950“ darf man davon ausgehen, dass das Ding ein rasender Erfolg sein wird – und das vor allem, weil sie offen mit sich selbst umgeht: „Ich bin der Junge, das Mädchen und alles dazwischen“, sagt Mikaela, die sich als genderqueere Lesbe definiert. Deshalb übernahm sie auch den Namen „King Princess“ als ein Freund sie so nannte. Die fließende Ambivalenz, die diese beiden Worte zusammen ausdrückten, brachte etwas in ihr zum Schwingen. So wie ihr kraftvoller Pop bei ihren Fans. „Meine Musik ist ehrlich und queer – und es geht um Liebe.“ Gerade jetzt, gerade unter Trump. „Ich habe den Hass der Amerikaner nie unterschätzt. Soziale Medien sind die perfekte Plattform für Idioten – und nun gibt es einen Präsidenten, der sagt, es ist völlig okay zu hassen.“ Mit dem sie interessanterweise sogar eine Gemeinsamkeit hat – auch ihre Vorfahren kommen von hier. „Ich bin eine stolze, deutsche Jüdin und ich war fast jeden Sommer in Deutschland bei Oma und Opa“, und sie sagt wahrhaftig auch im Interview auf Deutsch „Oma“ und „Opa“. Väterlicherseits waren ihre Ur-Ur-Großeltern übrigens Passagiere auf der Titanic und versanken zusammen mit ihr im Meer. Isidor Straus war nicht nur amerikanisches Kongressmitglied, sondern auch noch stinkreich und Besitzer des berühmten Kaufhauses Macy’s in New York. Dieses Hoheitliche im Künstlernamen ergibt also auch auf anderer Ebene Sinn.

Wie gefestigt sie in ihrem Selbstbild ist, kann man übrigens gerade im amerikanischen Playboy betrachten, in dem sie die Rollenklischees der Highschool halb nackt nach- und bloßstellt. „Für alle, die mich kennen, war das wohl der am meisten erwartete Move von mir“, lacht sie wieder. Sie liebt die Bilder. „So siehst du eben aus als ‚horny kid‘. Und der Fakt, dass da jetzt meine queeren Titties sind, in einem Heft, gemacht für straighte Typen … Ich liebe es.“

Back to topbutton