Laura Mvula: Kopf hoch, tanzen

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Nach einem Karriere-Tiefschlag begeistert die englische Singer/ Songwriterin mit einem fulminant 80s-poppigen Comeback-Album.

„Pink Noise“ ist jetzt keine Begriffserfindung von Laura Mvula selbst, sondern eine physikalische Erscheinung, die es tatsächlich gibt. Beim rosa Rauschen, so heißt es auf Deutsch, dominieren die tiefen Frequenzen, das menschliche Ohr nimmt alle Töne etwa gleich laut war. Nun ist Mvula keine Physikerin, vielmehr fand sie den Terminus als solchen einfach hinreißend. „Dieses pinke Rauschen klingt ungefähr so wie ein intensiver Regenguss“, sagt die Sängerin und Songschreiberin. „Jede Hörerin und jeder Hörer wird sich unter ‚Pink Noise‘ irgendwas anderes vorstellen können, der Begriff macht einfach was mit dir.“

Für Laura selbst ist die Assoziation: 1980er-Pop. Volle Möhre. Sie selbst ist Jahrgang 1986, geboren in Birmingham als Tochter einer von der Karibik-Insel Saint Kitts stammenden Professorin für Völkerkunde und eines Beauftragten für den Jugendrechtsschutz aus Jamaika. Aufgewachsen in einem kulturell-bildungsbürgerlich stimulierenden Umfeld („Als Kind habe ich schon Piano und Violine gespielt, und das sogar wirklich gerne“) hat Mvula das Jahrzehnt naturgemäß nur bedingt in Echtzeit kennengelernt. „Aber sobald ich mit dem prallen Pop der Dekade in Berührung kam, habe ich ihn geliebt.“ Man hört die Prägung ihrem dritten Album auf grandiose Weise an. Der Up-tempo-Song „Church Girl“, in dem Laura ihre Jugend als scheue, aber auch ehrgeizige Dirigentin des Kirchenchors und Mitglied in der A-Capella-Gruppe  „Black Voices“ rekapituliert und dabei ganz nonchalant auch mit der zeitweiligen Selbstverliebtheit abrechnet („Who do you think you are/ some kind of superstar?“), vermittelt ein ähnlich erbauendes Gefühl wie einst die großen Hits von Janet Jackson à la „Escapade“ oder „Rhythm Nation“. „Got Me“, im Video zum Song turnt Laura Mvula in wechselnden Neon-Outfits durch eine Waschanlage, hat was von Billy Oceans „When the Going Gets Tough“, „Magical“ hat den Schwung einer alten Earth, Wind & Fire-Nummer, „Safe Passage“ einen ähnlichen Beat wie „In The Air Tonight“ von Phil Collins, und wo wir schon bei Genesis sind: Das soft-melancholische Duett mit Simon Neil von Biffy Clyro, „What Matters“, lässt Erinnerungen an „Don’t Give Up“ von Kate Bush und Peter Gabriel  aufleben – ein Klassiker, der so alt ist wie Laura selbst. Über all den Songs schweben jede Menge analoger Synthesizer sowie die tolle Stimme der Künstlerin. „Ich habe nach einem Sound gesucht, mit dem ich mich richtig wohlfühle und zu dem ich tanzen will. Mein eigener Bewegungsdrang war ein ganz entscheidender Aspekt bei diesem Album.“

Laura Mvula, um im Bild zu bleiben, steckte nämlich zwischenzeitlich ganz schön fest. Zwar begeisterte sie mit ihren ersten beiden, stilistisch noch näher an Soul und Jazz angelehnten Alben „Sing To The Moon“ (2013) und „The Dreaming Room“ (2016) ein durchaus großes und diverses Publikum und verzückte die Musikkritik weltweit. Beide Alben waren für den „Mercury Music Price“ nominiert und für „The Dreaming Room“ erhielt sie den prestigeträchtigen „Ivor Novello Award“. Doch ihrem damaligen Label war das offenbar nicht genug. Mvula wurde gefeuert und mittels einer schnöden E-Mail vom Rauswurf in Kenntnis gesetzt. Es dauerte, ehe sich die 35-Jährige, ohnehin mit einer fragilen Psyche und dem Hang zu Panikattacken ausgestattet, von der schweren Ego-Erschütterung berappelte. Doch nun scheint Laura Mvula nicht nur heller als je zuvor, sondern auch: Pretty in Pink. *Steffen Rüth

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