Tash Sultana „Es geht nicht darum, anderen zu gefallen“

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Tash Sultana ist eher unprätentiös. Nicht einmal für ihre MTV Unplugged Session im vergangenen Jahr im Chapel Off Chapel in Melbourne hat sich die Singer/Songwriterin extra aufgebrezelt. Sie trägt eine bequeme Hose, darüber ein weites, schwarzes Hemd. Auf dem Kopf hat sie die für sie obligatorische Baseballkappe. Statt mit Äußerlichkeiten beeindruckt die Multiinstrumentalistin lieber mit ihrem Talent und ihrem Händchen für ausdrucksstarke Lieder.

„Blame It On Society“ hebt einen in höhere Sphären. „Dream My Life Away“ hat eine verträumte Note. Da möchte man sofort Kerzen und Räucherstäbchen anzünden. „Greed“ verführt mit seinem souligen Touch. Vor allem ist jedoch bemerkenswert, wie schnell Tash Sultana zum Beispiel bei „Coma“ die Gitarren wechselt. Wenn die 26-Jährige eingangs zur akustischen Gitarre greift, wirkt der Song puristisch, fast zerbrechlich. Er lässt der Stimme genug Raum, damit sie sich in ihrer vollen Schönheit entfalten kann. Später werden die Riffs fetter, die Nummer driftet ins Epische ab.

Dieses Stück mag Tash Sultana am liebsten, das erzählt sie im Zoom-Interview, für das sie allerdings die Kamera abgeschaltet hat. „Coma“ stammt aus ihrer Frühphase. Damals setzte sie auf akustische Musik – ohne dass jemand Notiz von ihr nahm. „Erst als ich zur elektrischen Gitarre wechselte, interessierten sich die Leute bei meinen Straßenkonzerten für mich“, erzählt sie. Dabei wurde ein Element essentiell: ihre Loopstation, die ihr Vater ihr zu ihrem 18. Geburtstag geschenkt hatte. Sie brachte zum Beispiel ihren Hit „Jungle“ hervor. „Plötzlich galt ich als Looperin“, ereifert sie sich. „Dabei finde ich gerade die Lieder am besten, die meinen Gesang und die akustische Gitarre in den Fokus rücken. Sie haben so etwas Rohes, hinter ihnen kann ich mich nicht verstecken.“

Foto: Ben McFadyen

Hauptsächlich das Looping war allerdings das, was Tash Sultana Vergleiche mit Ed Sheeran einbrachte. Sie lacht, bevor sie energisch klarstellt: „Wir spielen nicht in derselben Liga. Ed Sheeran ist ein Megastar, ich nicht.“ Das ist natürlich tiefgestapelt. Zumindest in ihrer Heimat hat die Australierin längst Popstarstatus. Ihr Debüt „Flow State“ schaffte es 2018 auf Platz zwei der Albumcharts, „Terra Firma“ schoss gut drei Jahre später auf die Spitzenposition. Diese Platte nahm Tash Sultana während der Pandemie auf, außerdem produzierte sie ihr MTV Unplugged Album während des Lockdowns und mischte es sogar selber ab: „Ich hatte Langeweile, darum musste ich mich irgendwie beschäftigen.“

Ansonsten kümmerte sie sich in dieser Phase um ihre Tiere, sie ging surfen oder verbrachte Zeit mit ihrer Familie. Des weiteren arbeitete sie an sich. „Man sollte sein, wer man ist“, grübelt sie. „Um sich tatsächlich des eigenen Ichs bewusst zu werden, braucht man aber wohl ein ganzes Leben.“ Eins hat sie immerhin schon erkannt: „Es geht nicht darum, anderen zu gefallen. Selbstakzeptanz ist total wichtig.“ Gerade der LGBTQIA-Community rät Tash Sultana deshalb: „Liebt euch selber. Wer euch nicht so annimmt, wie ihr seid, gehört nicht in euren Freundeskreis.“ Da spricht die Musikerin vermutlich aus persönlicher Erfahrung. Was sie besonders stört, ist das ewige Schubladendenken. „Es wird viel zu viel gelabelt“, regt sie sich auf. Oftmals auch noch falsch: „Ich bezeichne mit nicht als nichtbinär, sondern als genderfluid. Letztlich existiere ich aber einfach als Person.“ *Dagmar Leischow

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