INTERVIEW - THOMAS MAINARDI

Seine Kunst überzeugte uns. Hier erfährst du mehr über den Maler. •nj/rä

DU LEBST UND ARBEITEST IN PARIS, NEW YORK UND SCHANGHAI. WÜRDEST DU DICH ALS KOSMOPOLITEN BEZEICHNEN?

Ich lebe in Lille, nördlich von Paris, quasi am Schnittpunkt verschiedener Hauptstädte (Paris, Berlin, London, Brüssel und andere). Nach fünf Jahren in Paris habe ich hier mein Studio aufgebaut. Das hält mich nicht davon ab, aus Spaß oder geschäftlich nach Paris zu fahren. Ich reise, soviel es geht, sei es für meine Arbeit oder zum Vergnügen. In New York war ich 2010 und habe dort einen Monat lang gelebt. Eine großartige Stadt voller Symbole und Ikonen. Eine moderne Stadt, die dich träumen lässt. Für meine Ausstellung habe ich dort noch mal für einen Monat gelebt. Meine Arbeit stelle ich viel in China aus, zum Beispiel in Schanghai, Peking, Tianjin und anderen Städten. Ich war bisher leider nur in Hongkong, hoffe aber, die anderen Städte auch bald besuchen zu können.

DU LEGST DEN FOKUS AUF GESICHTER, RICHTIG?

Ja, Gesichter sind sehr präsent, da der Mensch das Herz meiner Arbeit ist. Meiner Meinung nach ist es absolut faszinierend, den Fokus auf das Gesicht zu legen und einen Ausdruck oder eine menschliche Einstellung zu analysieren, zu entschlüsseln und zu interpretieren. Konkret ist meine Arbeit inspiriert vom „menschlichen Wesen“, der urbanen Gesellschaft und ihren Paradoxien – das bedeutet: von Mann und Frau und ihren doppeldeutigen, ambivalenten und komplexen Beziehungen, ihren gegensätzlichen, zusammenstoßenden Egos. Der Code einer offenen und freien Verführung (die Sinnlichkeit und Erotik einer trivialen Einstellung, ein schelmischer oder verstörender Blick und manchmal sogar Pornografie). Inspiriert von der Gewalt unserer Konsumgesellschaft (Werbung, woher ich komme, unseren Marotten, unserem Durst nach Freiheit, unseren Ambitionen, unseren Träumen und unseren Hoffnungen und Ängsten). Unserem Masochismus, unserer Neigung zu Glück oder im Kontrast zu Melancholie, dem Tumult des Lebens, Enttäuschungen in der Liebe, Osmose, der Alchemie von Liebe, auf die wir hoffen.

DEFINIERE DEINE KUNST ...

Durch das Malen drücke ich mein Herz aus (Acryl, Sprühfarbe, Pigmente, Tinte und viele andere Materialien), und ich nenne meinen Stil Pop Expressionismus. Einfach gesagt ist es ein Mittelweg zwischen abstraktem Expressionismus, Pop-Art und Urban Art. Aber da hört es nicht auf! Es ist auch persönliche Buße und introspektive Arbeit. Ich glaube, das Erste, was dem Zuschauer und Besucher meiner Ausstellungen auffällt, ist die eminent grafische und minimalistische Seite meiner Charaktere und Themen. Ich bin eigentlich sehr poppig und tief urban. Jede Arbeit hat ihr eigenes Universum aus Farben und Einstellungen, die provokativ, sinnlich und lasziv sind. Meist sind meine Themen Frauen. Für sie habe ich eine Passion. Oft kann man Porträts von Frauen und Männern finden, auf denen ich komplexe und tiefe Gefühle reflektiere. Meine Arbeit ist dabei von der zeitgenössischen urbanen Gesellschaft und ihren Paradoxien inspiriert. Außerdem arbeite ich in Phasen, je nach meiner Lust oder meinem Bedarf zu malen. Manchmal ist mein Ansatz rein ästhetisch, manchmal hat er eher eine konzeptionelle Dimension, in der ich in das Kunstwerk reflektierte, Codes und sekundäre oder verschachtelte Botschaften einflechte, die wir nicht notwendigerweise beim ersten Lesen erfassen.

WAS INSPIRIERT DICH AM MEISTEN?

Einfach ausgedrückt find ich Inspiration im Leben. Es klingt banal, aber mein tägliches Leben und alles, was es verbirgt, inspiriert mich in meiner Arbeit. Es gibt auch eher sensible Themen in meiner Arbeit, mit tieferer sozialer Analyse oder konzeptueller Recherche. Meine Serien über Kindersoldaten oder die Fragilität der Natur gegen den Wahnsinn des Menschen sind gute Beispiele. Ich tendiere dazu, mit dem Kontrast und der Ambivalenz von Gut und Böse, Gewalt und Sanftheit, Liebe und Hass, flüchtiger Existenz und Unveränderlichkeit des Todes zu spielen und sie zu meiner komplexen Vision des Menschen hinzuzufügen, welche meine primäre Inspiration ist und bleibt.

WAS GEFÄLLT DIR AN BILDENDER KUNST AM MEISTEN?

Ich denke, das Gefühl und die Freiheit, die sie mir gibt. Sich kreativ auszudrücken, ist die Kulmination der Anstrengung des Menschen, sich lebendig zu fühlen. Sie erlaubt mir näher an anderen Menschen zu sein, aber auch an mir selbst, und ermöglicht mir, mich selbst als Menschen besser zu verstehen – mit all meinen Qualitäten und Fehlern, meinen Zweifeln und Überzeugungen, meinen Ängsten und Freuden.

... UND AM LEBEN?

Zu reisen und dafür zu kämpfen, meine Träume zu realisieren, sagenhafte Landschaften und verschiedene Kulturen zu entdecken und durch mich durch zu denken ... immer wieder zu träumen oder es zumindest zu versuchen in einer so unperfekten Welt.

Internet: THOMASMAINARDI.COM

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