WILL MCBRIDE IST TOT – EIN NACHRUF

© Foto: Wolfgang H. Wögerer, Wien

Während die Berliner Ausstellung mit den Jungs im Waschraum noch immer Schritte stocken lässt, ist ihr Fotograf von uns gegangen: Will McBride ist tot. Der 1939 in St. Louis/USA geborene Fotograf, Maler, Zeichner, Bildhauer und Essayist starb am 29. Januar 2015 in Berlin. Seit 1959 fotografierte er für Magazine wie Twen, Quick, Stern, Look, Jasmin, Playboy und Esquire. Seine Kamera war hautnah dabei, wenn Weltgeschichte geschrieben wurde.

Berlin an einem Junitag 1963. Ein Foto bestimmt die Titelseiten der in- und ausländischen Gazetten. John F. Kennedy sitzt mit vom Wind zerzausten Haar, begleitet von Konrad Adenauer und Willy Brandt im Fond des Präsidenten Cabrios, im Hintergrund ist das Brandenburger Tor mit der Mauer davor zu sehen. McBride steht neben dem Cabrio, direkt vor Kennedy , drückt den Auslöser. Das Foto macht Geschichte. Drei politische Alphatiere mit ihrer eigenen Interpretation von political leadership. Drei Politiker wie sie unterschiedlicher nicht sein können: Kennedy, Brandt, Adenauer. McBride kannte sie persönlich. Sogar der verknöcherte Adenauer begegnet ihm humorvoll, unverkrampft, nahezu freundschaftlich. Die Fotos und Interviews zeugen davon.

Schwulen sind dagegen eher die Tabu brechenden Fotobeiträge aus den Büchern des folgenden Jahrzehnts bekannt. Das „Lexikon der Sexualität“ gab 400mal atemberaubend freizügig Auskunft, Antwort und Beschreibung. „Zeig mal“ war das erfrischende Aufklärungsbuch für Kinder. Und „Boys“ der schon fast verboten offensive Band über Pubertät. Für viele schwule Jungs, und Heranwachsende damals waren die Fotos und Texte der Wegweiser in einem noch immer von Ausgrenzung und Ablehnung geprägten Alltag. Gegen das hart von der bürgerlichen Presse attackierte „Lexikon der Sexualität“ aus dem Jahr 1970 wurde denn auch prompt Strafanzeige erstattet. Will McBride und sein Ko-Autor Martin Goldstein setzten sich jedoch durch: Ihnen gelang ein epochales Manifest der Toleranz, Akzeptanz und der sexuellen Selbstbestimmung. Martin Goldstein wuchs in der Mitarbeit für BRAVO als „Dr. Sommer“ in die Position, die viele Jugendliche der Bundesrepublik gleichsetzten mit der einer maßgeblichen Autorität, die ihnen in Sexualfragen glaubhafte Antworten geben konnte, auch hinsichtlich schwul/lesbischen Sorgen und Nöten.

Nach all den Fotostrecken für Magazine wandte sich McBride in den 80er Jahren einem Sujet zu, das ihm wohl immer - bis zu seinem Tod - das wichtigste war. Dem heranwachsenden Jungen. Ihn erotisch und zugleich künstlerisch angemessen zu porträtieren, war sein sehnlichster Wunsch. Leider ignorierte die bürgerliche Presse aus durchsichtigen Gründen sein diesbezüglich überragendes Werk als Bildhauer. Umso mehr verhalfen Industrielle, Künstler, Weltbürger dem umfangreichen Spätwerk des Amerikaners zu internationaler Reputation. Rainer Wörtmann, Art Director des Spiegel, und der Industrielle Wolf Stielow erwarben seine Bronzeplastiken ebenso wie Gunter Sachs oder weitere herausragende Personen des Zeitgeschehens.

Gleich einer Losung gab Will McBride in seinen Publikationen dem Leser immer wieder jene Sätze mit auf den Weg, die ein Leitmotiv seines Bildhauerischen Oeuvres sein könnten: „Der Mann ist erst ein Baby, dann ein Kind und dann ein Junge, bevor er Mann werden soll. Diesem Jungen gilt mein Hauptinteresse. Der Mann scheint mir zu fertig, der Junge hingegen vielversprechend zu sein. Den Jungen zu erforschen, ihn darzustellen in hundertfachen Situationen, das ist mein Ziel.“ Ruhe in Frieden, Will! •Ulrich Thiele

Foto: „Will McBride 1975“ von Wolfgang H. Wögerer, Wien - Eigenes Werk. Lizenziert unter CC BY 3.0 über Wikimedia Commons.

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