BLU LIEBT MIKEL

Er war in den 1990ern eine Art It-Boy der schwulen Hamburger Partyszene. Inzwischen geht Mikel nur noch selten aus und wir wurden durch seine Kunst für „Die wilde 13“ des letzten Camp77 (siehe Bild) auf ihn aufmerksam.

WO TRIFFT MAN DICH DENN IN DER SZENE?

Also ich sage es mal so: Ich bin partytechnisch in den 1990ern sozialisiert worden und war in der Zeit ein größerer Nachtschwärmer als jetzt und überall bekannt wie ein bunter Hund. Deswegen habe ich wohl eine gewisse und recht hohe Erwartungshaltung entwickelt. Ich engagiere mich jetzt mehr in ehrenamtlichen Bereichen wie der Aidsseelsorge in Hamburg und davor bei der Aidshilfe. Regelmäßig trifft man(n) mich im Camp77, weil mir da noch richtig ordentlich was geboten wird. Da gibt es geile Mucke, abwechslungsreiches Publikum, drei Tanzflächen mit unterschiedlichen Musikrichtungen, Gimmicks wie Barbecue im Sommer, T-Shirt-Verlosungen und so weiter.

WAS STÖRT DICH AN DER SZENE?

Vieles erscheint mir heute fast nur noch wie ein Pauschalangebot oder Fast Food. Du zahlst deine fetten 10 oder 12 Euro und kriegst immer das gleiche „sichere Produkt“ wie zum Beispiel Musik vorgesetzt, weil das Konzept eben aufgeht und einfacher ist – und sonst nix. Wir sind eher angepasst und kaum noch revolutionär. Wenig innovativ. Alles in guten Dosen eben. Es scheint wohl sehr schwer zu sein, wirklich ausgefallene

Sachen in Hamburg zu probieren.

Warum? Ich weiß es nicht. „Masses are asses!“ – das funktioniert halt. Ich zähle mich nicht zu den „Massen“. Gerade wenn man mal über den Tellerrand geschaut hat und einen kleinen Ausblick auf die Welt genossen hat, dann fehlt einem das hier manchmal. Im Camp ist es dann halt doch noch innovativer und man hat die Möglichkeit auszuweichen – sowohl den Gesichtern als auch den immer gleichen Musikstilen. Im Electric Circus habe ich mich neulich auch nach langer Zeit mal wieder wohlgefühlt. Wobei mich nach wie vor in vielen Klubs häufiger das „Vom-Band-DJ“-Gefühl beschleicht.

LABSKAUS, SUSHI ODER HAMBURGER?

Ich liebe Essen! Ich weiß nur nicht, in welcher Reihenfolge. Also, ob ich Essen oder Sex mehr liebe. Von beidem kann ich gute „Pflaumenstürze“ bekommen.

DU BIST KÜNSTLERISCH AKTIV WIE KAM ES DAZU UND WAS GENAU MACHST DU?

Es ist für mich unter anderem ein Rückzugspunkt, ich kann mich da fallen lassen und einfach „ich“ sein. Das meine ich

jetzt nicht als „allein sein“, sondern ganz im Gegenteil. Ich könnte auch auf dem Rathausmarkt malen und würde meine Mitmenschen noch wahrnehmen und doch zugleich alles andere um mich herum vergessen. Wenn ich dabei bin, verschwindet das Drumherum – einerseits allein und zugleich auch nicht. Ich bin im Fluss oder auch in der Mitte angekommen. Ich bin über meine Liebe zu Comics und Comicfiguren dazu gekommen – Marvel hauptsächlich, aber auch Captain Future (frühe Anime). Ich wandele Geschichten wie Alien mit Sigourney Weaver, X-Men oder eben auch Jim Knopf und die wilde 13 ab und setze sie in einen neuen Kontext. Früher modellierte ich mehr, heute zeichne und male ich diese neu entstehenden Welten und Geschichten.

SPORTSWEAR, LEDERTRINE ODER MUSKELMARY?

Ich bin schwul, deshalb definitiv ein gepflegter, maskuliner, starker, sportlicher Mann! Wobei ich Typen in der sportlich glänzenden Schnellfickerhose schon sehr geil finde.

STAR WARS ODER STAR TREK?

Schwierig. Aufgewachsen bin ich schon mit den Figuren von Star Wars, Masters of the Universe und mit Captain Future. Heute ist es Star Trek, weil es aktuell eine neue Realität bietet durch die aktuellen Kinofilme. Wie bei meinen künstlerischen Aktivitäten – manche sagen, ich würde auf Zerstörung, Weltuntergang und Apokalypse stehen, ich sei wohl eher ein Pessimist. Hey, ich bin in den 1970ern geboren und in den 1980ern aufgewachsen: Ölkrise, Kalter Krieg, Tschernobyl, Zombiefilme und Aids. Nein, ich bin Realist und auch Optimist. Für den einen oder anderen vielleicht zu realistisch. Das Recht nehme ich mir einfach heraus. Ist vielleicht nicht immer populär, aber jeder hat heutzutage im Zeitalter von Facebook was zu sagen/posten und die meisten plappern einfach drauflos, ohne vorher nachzudenken. Dafür habe ich auch schon das eine oder andere Monster in meinem Leben getroffen und auch in die Flucht geschlagen. Ich nutze meine Begabung und verarbeite das Dunkle nur eben sehr gerne, um daraus etwas Positives und Schönes zu erschaffen. That’s the Art of Mikel.

•Interview: Christian Knuth

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