Interview: Nasser #7Leben

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Foto: M. Rädel

Sein Fall ging durch die Medien: Im Alter von knapp 15 outete sich Nasser 2012 bei seiner Familie. „Ein Onkel habe ihn mit Benzin übergossen, die Eltern hätten ihn ausgepeitscht und mit kochendem Wasser verbrüht. Dann sei ihm erklärt worden, im Libanon warte ein schönes Mädchen auf ihn, mit dem er bereits verlobt sei“, schrieb der Tagesspiegel dazu. Er floh und fand auch Schutz beim Jugendamt. Dann wurde er jedoch von seiner Mutter nach Hause gelockt, trank etwas und wachte später in einem Auto auf. Da nach ihm gefahndet wurde, konnte der Wagen an der rumänisch-bulgarischen Grenze gestoppt werden. Nasser wurde entführt und hätte zwangsverheiratet werden sollen – oder umgebracht, wie er sagt. Mitte März wurde nun das Urteil gesprochen: Vater und zwei Onkel bekamen in Abwesenheit eine Geldstrafe von 1.350 Euro. Für viele ein enttäuschendes Urteil. Nassers Geschichte gibt es nun als Theaterstück: „Nasser #7Leben“.

VON WELCHER SEITE SCHLÄGT DIR DENN BESONDERS HASS ENTGEGEN?

Hand aufs Herz: Leider fast ausschließlich vonseiten derer, die einen Migrationshintergrund haben. Von meiner eigenen Kultur ... Türken, Libanesen ... Bei Sätzen wie „Da ist die Schwuchtel, sollen wir sie angreifen?“ wird mir schon anders, ich will mich aber nicht provozieren lassen. Ich gehe dann einfach weiter. Man erkennt mich jetzt halt überall. Von der „deutschen“ Seite wird mir vor allem Lob und Anerkennung entgegengebracht, das tut gut.

Foto: M. Rädel

WIE IST DEIN VERHÄLTNIS ZU DEINER FAMILIE HEUTE?

Nicht vorhanden, kein Kontakt. Ich hatte ja gehofft, dass Teile meiner Familie beim Urteilsspruch anwesend sein werden, doch es kam keiner. Das macht mich doch traurig.

WIE HAST DU DAS URTEIL INZWISCHEN VERARBEITET?

Zuerst dachte und sagte ich: Ich hake es ab und akzeptiere das Urteil. Inzwischen sage ich aber: Nein, das ist SO nicht richtig! Sie wurden nicht dafür verurteilt, dass sie mich entführt haben, sie wurden dafür verurteilt, dass sie nicht vor Gericht erschienen sind. Und die Richterin hat mir jeden Weg verbaut, das Urteil anzufechten. Ich habe keine Chance.

•Interview: Michael Rädel

http://www.grips-theater.de/

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