Berghain, Ballett und Ballspiele

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Foto: Mats Bäcker

Wir sprachen mit Johannes Öhman, dem neuen Intendanten des Staatsballetts Berlin, über vergangenen Protest und zukünftige Pläne.

Hätte Ihnen jemand vor drei Jahren gesagt, dass Sie heute in Berlin leben, was wäre Ihre Antwort gewesen?

„Das wäre wundervoll“, natürlich. Berlin ist großartig, ich liebe diese Stadt. 1987 tanzte ich mit dem „Basler Ballett“ an der Komischen Oper in Ost-Berlin, seitdem wollte ich unbedingt wieder herkommen. Das Berlin von heute erinnert mich sehr an New York Mitte der 1980er, es liegt dieselbe pulsierende Atmosphäre und Schwingung in der Luft.

Kamen Sie allein nach Berlin?

Ja, meine Familie lebt noch in Stockholm. Es ist geplant, dass sie nach einem Jahr nachkommen, bis dahin besuchen wir uns gegenseitig.

In Ihrer Jugend spielten Sie Fußball, dann entdeckten Sie das Ballett. Was haben Fußball und Ballett gemeinsam?

Ich denke, man braucht auch beim Fußball Anmut und Grazie. In der brasilianischen Nationalmannschaft beispielsweise sind viele Spieler zugleich brillante Tänzer. Aber die wohl offensichtlichste Gemeinsamkeit ist: Man muss bereit sein, sehr, sehr viel zu trainieren und körperlich über seine Grenzen zu gehen.

Was reizte Sie am meisten an der Intendanz des Staatsballetts Berlin?

Es ist eine sehr junge Tanzcompagnie, die erst 2004 aus verschiedenen Compagnien gegründet wurde. Das Konzept mit der Opernstiftung ist etwas Neuartiges. Normalerweise ist das Ballett Teil eines Opernhauses und der Intendant der Oper weist das Geld zu. Doch in Berlin ist das Ensemble unabhängig und autonom, spielt abwechselnd in drei Opernhäusern. Das übte einen großen Reiz auf mich aus. Hinzu kommen der hohe Standard und wirklich sehr gute Tänzer.

Foto: Mats Bäcker

In der Vergangenheit gab es bereits zwei Kooperationen von Staatsballett und Berlins Techno-Aushängeschild, dem Berghain. Könnten Sie sich vorstellen, dass so etwas wieder passiert?

Auf jeden Fall! Es sollte sich dann allerdings um eine Performance handeln, die wirklich mit der Klubkultur und der Atmosphäre dort Hand in Hand geht. Sharon Eyals zeitgenössische Choreografie „Half Life“, die wir derzeit an der Komischen Oper zeigen, hätte beispielsweise perfekt zu der Umgebung und der Stimmung des Berghains gepasst.

Was zeichnet Sasha Waltz aus, die mit Ihnen zusammen nächstes Jahr die Intendanz übernehmen und eine Doppelspitze bilden wird?

Sie ist eine fantastische Frau, eine tolle Künstlerin und eine Welt-Choreografin. Wir arbeiteten erstmals im Rahmen meiner Stelle als Direktor in Schweden zusammen und entdeckten, dass wir viele Werte teilen. Beide sind wir überzeugt davon, dass in den darstellenden Künsten, besonders im Tanz, Brücken gebaut, Wandel gefeiert und niemals Möglichkeiten ausgeschlossen werden sollten. Zudem ergänzen wir uns perfekt, da sie Fähigkeiten hat, die ich nicht habe, und andersrum ebenso. Als sie mich bat, die Intendanz mit ihr zusammen zu übernehmen, wusste ich: So eine Gelegenheit kommt nie wieder.

Wie etabliert ist das „Doppelspitze-Model“ in der Intendanz?

Es ist eher unüblich, denn die Theaterwelt hat sehr hierarchische Strukturen. Leider, denn in den vergangenen Jahren als Leiter des „Royal Swedish Ballet“ in Stockholm kam ich oft an einen Punkt, an dem ich mir wünschte, mich mit jemandem beraten zu können. Man ist zu zweit einfach stärker.

Wie wollen Sie die Brücke schlagen zwischen klassischem und modernem Ballett?

In dieser Spielzeit zeigen wir etwas mehr klassisches Ballett, doch in Zukunft wollen wir das Repertoire zu jeweils fünfzig Prozent in klassisches und zeitgenössisches Ballett aufteilen. Daran ist aber nichts Außergewöhnliches, in vielen Compagnien weltweit ist das so. In Berlin wurde das Staatsballett bisher allerdings vor allem mit klassischem oder maximal neoklassischem Ballett in Verbindung gebracht.

Bevor Sie die Intendanz übernahmen, gab es viele Gegenstimmen. Hat sich das jetzt geändert?

Man kann es ruhig Protest nennen. Es herrschte große Angst, dass es keinen Raum für klassisches Ballett mehr geben würde. Leider hörten die Leute uns vor zwei Jahren einfach nicht richtig zu, denn was wir in der ersten Pressekonferenz sagten, sagen wir heute noch: Es wird Platz für alle Formen des Balletts geben. Doch das spiegelt ein großes Problem unserer Zeit wieder. Ein aus dem Kontext gerissenes Zitat, garniert mit halbgaren Fakten und Gerüchten, kann sehr weite Kreise ziehen. Es ist mir aber nicht allzu nahegegangen, denn ich kann das verstehen, in der menschlichen DNA ist eine Angst vor Veränderungen tief verankert. Inzwischen wollen alle diesen Wandel, auch die Tänzer sind sehr motiviert und glücklich, den Neuanfang mit uns zu wagen. Ich höre nichts Negatives mehr. Wir sind jedoch darauf vorbereitet, dass auch schwierige Tage kommen werden, denn die gibt es in jeder Tanzcompagnie und an jedem anderen Arbeitsplatz auch ...

*Interview: Leander Milbrecht

www.staatsballett-berlin.de

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