INTERVIEW: Ennio Marchetto

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Im Mai rockt der Meister der Papierkostüme, Ennio Marchetto (57), das Tipi am Kanzleramt. Weil er mehr als fünfzig Stars und Sternchen zum Besten geben kann, ohne dabei zweidimensional zu wirken, haben wir ihn uns geschnappt.

Foto: Friedemann Simon

Ennio, wie oft wechselst du während deiner Shows durchschnittlich dein Outfit?

In einer Stunde wechsle ich die Charaktere etwa alle zwei Minuten – jeder Charakter hat sein eigenes Kostüm. Manche Outfits wechsle ich sogar alle zwanzig Sekunden.

Puh, eine ganze Menge! Bist du am Ende des Tages nicht manchmal verwirrt und fragst dich, wer du eigentlich bist?

Ich bin ziemlich glücklich darüber, dass mir das eigentlich nie passiert. Ich will auch gar nicht sooo nah an den Charakteren sein, als dass mir das passieren könnte. Ich fühle jede einzelne dargestellte Persönlichkeit bis in Blut und Knochen – aber nur, solange ich ihre Songs zum Besten gebe. Ihre unterschiedlichen Stimmen zeigen mir irgendwie, wie ich mich verhalten soll.

Welches ist dein Lieblingskostüm oder -charakter?

Immer die aktuellste Kreation, weil ich es einfach mag, etwas Neues zu haben, mit dem ich arbeiten kann. Aber Marilyn und Mona Lisa gehören fest zur Show und werden immer zwei meiner Liebsten sein.

Du wurdest in Venedig in eine Familie geboren, in der alle Männer Espressomaschinen-Reparateure sind – außer dir! Was hat dich zu deiner Entscheidung bewogen, und ist dein Verhältnis zu Kaffee trotzdem okay?

Ich war nie glücklich dabei, Kaffeemaschinen zu reparieren, und wollte immer ausbrechen. Eines Nachts träumte ich von Marilyn Monroe in einem Papierkostüm. Das war so inspirierend, dass ich mich fragte, wieso ich nicht genau so etwas machte. Das lief dann Schritt für Schritt an. Meine ersten Auftritte hatte ich vor Freunden, drei Jahre später gewann ich den Preis als bester Comedian des Jahres und mein Leben änderte sich radikal.

Foto: Friedemann Simon

Du hast früher sehr viele Disney-Filme gesehen. Hat das deine Arbeit beeinflusst?

Ich liebe Cartoons nach wie vor. Es gibt keinen bestimmten Film, der meine Arbeit beeinflusst hätte, trotzdem habe ich nie einen verpasst. Vor allem die Mischung aus Märchen, Farben und Zeichnungen – das ist ein toller Mix.

Nachdem du nun in siebzig Ländern weltweit aufgetreten bist: Hast du irgendeinen Unterschied wahrnehmen können, wie die Menschen aus verschiedenen Teilen der Erde darauf reagieren, wenn du zum Beispiel mit Geschlechterrollen spielst?

Meine Shows sind bereits seit mehr als zwanzig Jahren sehr international unterwegs. Ich habe damals mit nur einer Frauenfigur angefangen und habe mittlerweile auch eine stolze Auswahl an männlichen Charakteren. Barbra zu spielen macht allerdings immer noch mehr Spaß als Pavarotti. Ich habe vor allem die Erfahrung gemacht, dass die Show bei unterschiedlichen Altersgruppen unterschiedlich ankommt. Nicht jeder Zuschauer mittleren Alters erkennt meine zeitgenössischen Figuren. Umgekehrt fragte mich mal ein Zwanzigjähriger, wer die kleine Dame sein sollte. Meine Gegenfrage: Du hast noch nie Édith Piaf gehört?!

*Interview: Dennis Stephan

www.tipi-am-kanzleramt.de

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