Mataina: „Mein Leben und Wirken findet noch ziemlich real statt.“

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Sie ist eines jener Berliner Originale, die seit mehr als zwei Jahrzehnten dafür sorgen, dass Partys lustiger, Deutschland bunter und die Szene vielfältiger wird. Regelmäßig tritt Mataina auch beim „Gay Snowhappening Sölden“ und beim „Pink Lake Festival“ auf. Hier erfährst du Dinge über Mataina, die du noch nicht weißt.

Seit wie vielen Jahren nutzt du die Kunstform Travestie?

Mal abgesehen davon, dass ich mich schon als kleiner Junge regelmäßig in ein rosa Prinzessinnenkleid meiner Schwestern gezwängt habe, um vor den Nachbarskindern zu tanzen, habe ich mich im Erwachsenenalter zum ersten Mal beim Karneval in Rio Ende der 1980er-Jahre aufgetranst. Danach war ich ein Jahr in New York, wo mich die damals allgegenwärtigen „Club Kids“ zu einer Art Boy Drag inspirierten. So richtig los ging es aber erst nach meiner Rückkehr nach Berlin.

Wie ging es los?

Meine ersten Auftritte als Mataina hatte ich im Dunst der angesagtesten Party KASPAR’S CAMP im 90 Grad, damals noch als Martina. Den Namen Mataina verdanke ich – soweit ich mich erinnere – SuperZandy. Ich bin auch so gut wie von Anfang an bei Nina Queer im „Irrenhouse“ aufgetreten. Ansonsten bin ich ein echtes Arbeitstier und eine der wenigen Transen, die über viele Jahre (eigentlich Jahrzehnte) regelmäßige Dragjobs mit mindestens drei Einsätzen pro Woche gefahren hat. Meist waren das allerdings Hetero-Läden, weshalb ich bei vielen Schwulen in Berlin auch gar nicht so bekannt bin. Auch schon deshalb nicht, weil ich nicht der Typ Transe bin, der sechsmal am Tag irgendetwas postet. Mein Leben und Wirken findet noch ziemlich real statt.

Foto: Peter Werner Photographer Wernerimages / www.wernerimages.com

Ist es heute einfacher im Fummel unterwegs zu sein oder schwieriger?

Für mich ist es heute schon deshalb einfacher, weil ich nicht mehr mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu meinen Jobs fahren muss, wie in den 1990ern noch üblich. Ein eigenes Auto ist da schon eine halbe Lebensversicherung. Nach wie vor begegnen mir in der Öffentlichkeit noch extreme Hass-Situationen. Zumeist am Steuer auf dem Weg zu einem Job oder auch in (Hetero-)Klubs. In der Regel sind das dann leider bezeichnenderweise Heranwachsende mit arabischem Hintergrund, für die meine schiere Existenz eine unannehmbare Provokation zu sein scheint. Ich versuche das dann mit einem charmanten Lächeln wegzuwischen, doch ich bin erst letztens durch die offene Autoscheibe angespuckt worden.

Generell ist das aber eine Sache von Beherrschung. Wenn man den ersten Schock eines unverhofften Angriffs wegsteckt und besonnen und mit Liebe und Vergebung reagiert statt mit unkontrolliertem Gegenangriff, dann entspannt sich die Situation zumeist ganz schnell, denn offensichtlich steckt hinter der vordergründigen Ablehnung (vor allem, wenn noch ein Haufen Kumpels in deren Auto sitzt) zugleich ein ungeklärtes Interesse und ein Wunsch nach Aufmerksamkeit hinter solchen Aktionen. Ich reagiere deshalb schon aus Selbstschutz lieber gelassen und hab am Ende noch das Gefühl, etwas für die Völkerverständigung getan zu haben.

Du bist auch stolzer Papa.

Mein Freund und ich haben zusammen sechs Kinder. Das hat natürlich auch Auswirkungen auf unser schwules Leben. Zum Glück kommen die Kids ganz gut klar mit der Situation. Familie spielt jedenfalls eine große Rolle in unserem Leben.

Was sind die Vorteile einer Regenbogenfamilie?

Ein Vorteil ist, dass Regenbogenfamilien von Anfang an auf einem eher nüchtern-rationalen Fundament stehen. Der Faktor Beziehungsstress (Eifersucht & Co.) ist jedenfalls schon mal außen vor. Trotzdem gibt es natürlich noch genug Probleme, wenngleich auch oft andere. Durch das im Gegensatz zur traditionellen Familie ziemlich offene Konzept von Familie – von reiner Samenspende an ein(e) Frau/Lesbe(n)paar bis hin zum Zusammenleben mit gleichberechtigter Erziehung der Kinder – kann hier mit einer wunderbaren Bandbreite an Modellen gearbeitet werden. Die genauen Wünsche und Vorstellungen sollten allerdings im Vorfeld gut abgeklärt werden. Und besser immer die Möglichkeit im Hinterkopf behalten, dass die Realität am Ende alles umstößt und neu verhandelt werden muss.

Foto: M. Rädel

Befreundet bist du mit vielen Diven in Berlin, aber mit Melli Magic ganz besonders, oder?

Mit Melli verbindet mich eine mittlerweile jahrzehntelange Freundschaft. Zusammen haben wir über ein Jahrzehnt auf Mykonos gearbeitet, und neben vielen regelmäßigen gemeinschaftlichen Jobs auf der ganzen Welt gehen wir jetzt zum ersten Mal gemeinsam auf eine GAY CRUISE. Auch wenn es in erster Linie eine Geschäftsbeziehung ist, würde das nie so lange funktionieren, wenn ich Melli nicht als Mensch lieben und schätzen würde. Sie ist ungeheuer professionell, was in unserem Business mehr als die halbe Miete ist. Meine älteste Drag-Freundin ist allerdings Kaspar Kamäleon.

Du engagierst dich auch im Kampf gegen Aids.

Ich koordiniere seit vielen Jahren die jährlichen Kongresse „HIV-im-DIALOG“ und „HIV-im-FOKUS“ im Berliner Rathaus. Das Thema HIV und Aids verändert sich ja immer noch ständig – zuletzt zum Glück mehr ins Positive. Das diesjährige Thema ist die „90-90-90-Kampagne“ von UNAIDS und die Verantwortung Berlins als einer der FAST-TRACK CITIES. Dieses Jahr wird der Kongress am 6. und 7. Oktober gemeinsam mit dem European ChemSex Forum veranstaltet und beleuchtet dabei auch ein wenig die bislang eher unbekannte Szene der Slamming-Partys in Berlin und Deutschland. Was ich schade finde, ist, dass sich das Engagement in Sachen HIV und Aids mittlerweile fast nur noch auf institutionelle Organisationen wie die Berliner oder Deutsche AIDS-Hilfe etc. beschränkt. Die Aktivisten alten Schlages sind entweder verschwunden oder in einer der vielen Organisationen in diesem Bereich untergekommen. Ein paar Ausnahmen gibt es da zum Glück noch, etwa „Pansy Parker: Let’s Talk About Sex and Drugs“.

*Interview: Michael Rädel

www.mataina.com

Facebook: Mataina  

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