#SCHWULESMUSEUM: Aufarbeitung der Geschichte

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Mitte der 1980er wurde das Schwule Museum gegründet. Das engagierte Team trug fleißig zusammen, was queeres – anfangs nur schwules – Leben und Geschichte abbildete. Jeder kann/konnte Objekte und Dokumente einreichen – so funktioniert eben der Aufbau eines Archivs. Doch das konnten leider auch (unentdeckt) problematische Objekte sein.

„Menschen können bei uns namentlich oder anonym jene Briefe, Fotos, Kunstwerke oder sonstige Materialien abgeben, die aus ihrer Sicht für die Geschichte der schwulen, lesbischen und trans* Bewegungen wichtig sind. (...) Wir haben nicht genug Personal, um das Material sofort zu erfassen. Deshalb können Bestände auch über einen längeren Zeitraum ungesichtet bleiben“, teilte der Vorstand des Museums in einer Erklärung mit.


Foto: www.schwulesmuseum.de

„Die Aufarbeitung von pädosexuellen Strömungen in der Bewegungsgeschichte ist uns ein Anliegen (...). Im Herbst 2018 bat uns die von der Bundesregierung bestellte Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs um Zugang zu unserem Archiv: Zwei Wissenschaftler*innen wollten dort für die Vorstudie Sexuelle Gewalt im Rahmen der so genannten Pädosexuellenbewegung in Berlin recherchieren. Dem haben wir selbstverständlich zugestimmt“, fährt er fort.

„Am Ende ihrer Recherche haben uns die Wissenschaftler*innen auf die oben erwähnten Materialien hingewiesen. Diese haben wir nun den Ermittlungsbehörden zur Verfügung gestellt, denn strafbar ist bereits der Besitz von Missbrauchsdarstellungen. Natürlich hat uns das alles sehr erschreckt. (...) Bislang gibt es nur den Verdacht einer strafrechtlichen Relevanz. Es ist nicht abzuschätzen, wann und ob die Ermittlungsbehörden weitere Schritte unternehmen.“


Und das hat auch eine gesellschaftliche Komponente:

„Was für viele wahrscheinlich belastender wird: Wir müssen mit Anfeindungen aus Kreisen rechnen, die nur darauf warten, Homosexualität mit Pädosexualität in Verbindung zu bringen, und die Gelegenheit für einen Angriff auf das Museum nutzen. Wir werden dem mit Ruhe und Bedacht begegnen. Wir sind überzeugt, dass Aufklärung richtig und wichtig ist, und dass wir gestärkt daraus hervorgehen“,  so der Vorstand des Schwulen Museums.


Statement von Archivleiter Peter Rehberg:  

„Die existierenden Bestände des Schwulen Museums sind von der Aufarbeitungskommission sorgfältig begutachtet worden. Es besteht kein Anlass zu glauben, es befänden sich noch ähnliche Konvolute in den Beständen des Archives. Neue Archivschenkungen werden nicht bedingungslos und blind angenommen. Ganz im Gegenteil: Es gibt ein Vorgespräch oder einen E-Mail-Kontakt, in dem geklärt wird, worum es bei der Schenkung geht, was die Schenkenden erwarten und was die Interessenlage des Museums ist. z. B. werden Aufnahmen der Objekte gemacht, um zu entscheiden, ob sich der Aufwand des Transports lohnt. Auf dieser Grundlage wird entschieden, ob es zur Schenkung kommt. Handelt es sich um eine umfangreiche Schenkung, die z. B. aus mehreren Kisten besteht, werden diese vor Lagerung im Archiv gesichtet, um zu entscheiden, ob sie zur Sammlung passen. Wenn wir über Dokumente oder Fotos sprechen, kann hierbei vorweg nicht jedes einzelne Blatt begutachtet werden. Der Kontext der Schenkung und jeder einzelnen Kiste lässt aber realistische Rückschlüsse darauf zu, was einen hier im Einzelnen erwartet.


Foto: Kim Schneider / CC BY-SA 4.0 / wikimedia

Das Schwule Museum (einst mit „*“ am Ende des Namens) wurde 1985 gegründet und ist seitdem zweimal, zuletzt 2013, zwecks Vergrößerung umgezogen, aktuell residiert man in der Lützowstraße 73, in Mitte-Tiergarten. Vier Ausstellungsräume und ein Café, auch für Veranstaltungen nutzbar, eine Präsenzbibliothek mit Rechercheplätzen sowie Büroräume und eine Werkstatt bilden einen Ort, der über die Diversität von sexuellen Identitäten und Geschlechterkonzepten informiert. www.schwulesmuseum.de

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