40 Jahre The English Theatre Frankfurt

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Illustration: The English Theatre

Unter dem Motto „Flirting with Madness“ startet das English Theatre Frankfurt – kurz ETF – in seine Jubiläumsspielzeit: 40 Jahre The English Theatre Frankfurt! Wie gemacht für’s Motto „Flirting with Madness“ ist das Eröffnungsstück „One flew over the Cuckoo’s Nest“, ein Kammerstück, das in einer Nervenheilanstalt spielt. Wir haben den Theater-Intendanten Daniel Nicolai und den Regisseur Derek Anderson zum Interview getroffen.

Daniel, du bist seit 2001 Direktor des Theaters – wie war dein damaliger Start?

Daniel Nicolai: Die Briten würden sagen: „bumpy“ („holprig“): Das „alte ETF“ war in einer Krise und rutschte in eine Insolvenz. Wir waren noch in der alten Spielstätte in der Kaiserstraße, durch die Insolvenz lösten sich die Verträge mit der Dresdner Bank zur neuen jetzigen Spielstätte auf. Expats aus den USA kamen nach 9-11 nicht mehr, wir mussten Personal entlassen und hatten beschränkte Ressourcen für die Produktionen. Es hat einige Jahre gedauert sich aus dem Schlamassel zu lösen, die Spielstätte zu retten und die Zuschauer zurückzuholen.

Hattest du schon immer eine sehr klare Vorstellung vom dem, wie „dein“ Theater aussehen soll, mit all seinen „production values“, und wie hat sich das English Theatre im Lauf der Zeit entwickelt und verändert?

Daniel Nicolai: Das ETF ist nicht „mein“ Theater, das ETF ist eine Frankfurter Institution und wird zurzeit von mir geleitet.

Foto: Martin Kaufhold

Ich hatte und habe aber schon eine Vorstellung wohin ich das ETF bewegen möchte. Der Spielplan des alten Theaters bestand immer aus Klassiker, Komödie und Musical. Ich versuche, auch neue und relevante Stücke zu präsentieren.

Wichtig war mir, eine theaterpädagogische Abteilung aufzubauen, um unser zukünftiges Publikum am besten schon in der Grundschule einzusammeln.

Inzwischen haben wir ein junges Publikum und doppelt so viele Besucher pro Saison als 2001. Unsere Produktionen werden zu Gastspielen eingeladen, wir koproduzieren mit dem Ensemble Theatre in St. Barbara.

„Relevante Stücke“ will übrigens nicht meinen, dass es anstrengend wird. Ich glaube, die Mehrheit der Theaterbesucher möchte unterhalten werden. Angelsächsische Autoren verstehen es gut, große Themen gut zu verpacken, so dass sie leicht daherkommen.

Derek, nach „Hand to God" und „The Lion in Winter“ sind „One flew over the Cuckoo’s Nest“ und anschließend das Musical „Sweeney Todd“ deine nächsten Produktionen für das English Theatre. Wie bist du mit dem Theater in Deutschland in Kontakt gekommen?

Derek Anderson: Ans English Theatre Frankfurt kam ich ursprünglich über meine zweite Profession: Als Lichtdesigner arbeitete ich 2016 für „Spamalot“ und 2018 für „Handbagged“ und „The Hound of the Baskervilles“. Dadurch lernte ich das Theater und auch den Intendanten Daniel Nicolai kennen, der wiederum auch von meiner Arbeit als Regisseur wusste. So entstand die gemeinsame Idee, dass ich auch als Regisseur für das ETF tätig werden sollte. Ich war sehr glücklich, als Daniel mir die Regie für „Hand to God“ anbot – ein Stück, das ganz nach meinem Geschmack ist und hervorragend ans Haus passt!

Die Produktionen für das English Theatre sind recht ungewöhnlich: Casting und Proben finden in London statt, dann ist in Frankfurt Premiere. Was sind die Vorteile – oder vielleicht auch die Schwierigkeiten – dieser Produktionsweise?

Derek Anderson: Für mich macht das erstmal gar nicht einen so großen Unterschied. Auch in England kann man selten in der Nähe des aufführenden Theaters proben, da diese meist durch die laufenden Produktionen blockiert sind. Also proben wir auch bei Produktionen für London in entfernter gelegenen Proberäumen statt auf der eigentlichen Bühne. Was hingegen wirklich toll ist, ist die Möglichkeit, seine Arbeit in eine fantastische Stadt mit einem tollen Theater zu bringen und verschiedene Kulturen zu erleben und miteinander zu verbinden.

Von der Produktionsweise abgesehen, was macht deiner Erfahrung nach das English Theatre für Regisseure und Schauspieler so attraktiv?

Foto: The English Theatre

Derek Anderson: Die Qualität der Shows und die „production values“ sind im English Theatre Frankfurt immer auf einem unglaublich hohen Niveau. Das hauseigene Team, das die Bühnenbilder baut, Licht und Ton betreut und das Stage Management übernimmt, leistet hervorragende Arbeit und macht das Theater so attraktiv. Nicht zu vergessen: Alle Gäste aus Großbritannien werden hier unglaublich gut versorgt! Es ist in London mittlerweile auch bekannt, dass das deutsche Theaterpublikum ein sehr aufmerksames ist, und ich habe seine Reaktionen schon immer sehr geschätzt und genossen. Hoffentlich werden die nächsten beiden Produktionen ebenso gut aufgenommen!

Daniel, wie bist du auf „One flew over the Cuckoo’s Nest“ gekommen?

Daniel Nicolai: Ich habe vor vielen Jahren die Verfilmung von Milos Forman mit Jack Nicholson gesehen und finde das Skript super. Es würde aber wenig Sinn machen, den Film „nachzuspielen“. Darum haben wir Derek eingeladen, um sich mit dem Stück zu beschäftigen. Er hat Geschlecht und Alter einiger Protagonisten verändert und Videodesigner und einen „movement director“ für die Inszenierung eingeladen. Eine „zentrale Botschaft“ des Stücks ist für mich „that we are all flirting with madness“. Das ist aber sicher für jeden Zuschauer anders, auf jeden Fall ist das Stück spannend.

Derek, „Einer flog über das Kuckucksnest" ist bekannt als Film. Gibt es signifikante Unterschiede zum Bühnenstück und was ist in deiner Inszenierung die Hauptaussage?

Derek Anderson: Das Bühnenstück und der Film sind sehr unterschiedlich. Das Stück ist viel näher am ursprünglichen Roman. Im Roman gibt es Erzählpraktiken, die sich schlecht in einen Film übertragen lassen. Und die Filmadaption passte sich in vielen Momenten dem typischen Stil der damaligen Hollywood-Filme an. Der Roman und das Bühnenstück sind ziemlich politisch. Sie hinterfragen die Menschen in Machtpositionen und ihre Vorgehensweisen. Auch wir versuchen in unserer Produktion in einer Welt von Präsident Trump und Brexit einen starken Bezug zur heutigen Zeit herzustellen. Es fühlt sich wirklich so an, als wäre das Stück 2019 geschrieben worden. Wir haben die Show viel jünger und vielfältiger besetzt und betonen damit Themen wie Manipulation, Korruption und die Verletzung grundlegender Menschenrechte.

30.8. – 19.10., One flew over the Cuckoo’s Nest, The English Theatre, Gallusanlage 7, Frankfurt, Di – Sa 19:30 Uhr, So 18 Uhr, www.english-theatre.de

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