Frankfurts schwule Szene der 1950er

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Foto: GMfilms

Einem dunklen Kapitel der Frankfurter Stadtgeschichte wurde in der jüngsten Vergangenheit verstärkt Aufmerksamkeit gewidmet: Anfang der 1950er machte die Frankfurter Staatsanwaltschaft unter der damals gültigen, von den Nationalsozialisten verschärften Fassung des §175 eine regelrechte Jagd auf schwule Männer. Der Tatbestand der „homosexuellen Handlungen“ wurde weit über reine sexuelle Betätigung hinaus auf alle „unzüchtige Handlungen“ zwischen Männern verstanden. Innerhalb von zehn Monaten wurde gegen mehr als 200 schwule oder bisexuelle Männer ermittelt, rund hundert wurden verhaftet. Das Strafmaß lag zwischen sechs Monaten bis zu fünf Jahren Haft. Eine Schlüsselfigur der damaligen Ermittlungen war der Strichjunge Otto Blankenstein, dessen Notizbuch mit den Adressen seiner Kunden als Informationsquelle für Staatsanwaltschaft und Polizei diente. 

Foto: B. Boekenkamp WI

Der Filmemacher Van-Tien Hoang begann sich 2015 für das Thema zu interessieren – und erlebte, wie schwierig es war, Informationen zu bekommen: „Erstaunlicherweise gibt es kaum Aufzeichnungen oder Dokumentationen zu diesem Thema“, so Hoang. „Selbst als ich im Hessischen Staatsarchiv nachgefragt habe, musste der dortige Archivar erst einmal recherchieren. Dazu muss man wissen: Viele der Akten wurden damals vernichtet, weil die Vergehen nach §175 wie Diebstähle behandelt wurden. Das hat mich motiviert, den Film zu machen“. 2021 feierte dann sein Film „Das Ende des Schweigens“ Premiere; neben Spielszenen enthält der Film Interviews mit den Historikern Gottfried Lorenz, Marcus Vellke und Christian Setzepfandt. Auch Zeitzeuge Wolfgang Lauinger kommt zu Wort; Lauinger gehört zu den damals von Otto Blankenstein Denunzierten und Verhafteten. Die Spielszenen des Films sind mit lokalen Schauspielern besetzt: Unter anderem sind Yvo Heinen als Otto Blankenstein und Wolf Gerhardt als Staatsanwalt Thiele zu sehen, Christoph Gerard Stein spielt den jungen Wolfgang Lauinger und Bernd Lottermann – besser bekannt als Ronny Rolls – ist „Die Gräfin“.

Eine weitere Inspiration für Van-Tien Hoangs Film war der Kriminalroman „Judasengel“ des Frankfurter Autoren H. T. Riethausen, der seine Story an wahre Ereignisse anlehnt und dabei die Atmosphäre in der Schwulenszene Frankfurts der frühen 1950er beschreibt; der Roman ist im Main Verlag erschienen.

Foto: Dennis Dudda

Switch-Kultur bringt Buch und Film zusammen: Autor H. T. Riethausen liest aus „Judasengel“, im Anschluss wird Van-Tien Hoangs „Das Ende des Schweigens“ gezeigt. „Durch beide Versionen lebt die Erinnerung an die damaligen, tragischen Ereignisse weiter“, so das Team von Switch-Kultur.

16.11., Switchboard, Alte Gasse 36, Frankfurt, 19:15 Uhr, Eintritt frei, Infos auf Facebook

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