Niki de Saint Phalle: Mehr als Nanas

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Foto: 2023 Niki Charitable Art Foundation / Adagp, Paris

Niki de Saint Phalle war Künstlerin in einer Zeit, in der man mit Kunst noch richtig Aufsehen erregen konnte – egal ob es sich um provozierende Happenings wie ihre Schießbilder oder die üppigen Nana-Plastiken handelte. Aufsehen erregten die Kunstwerke an sich, und nicht deren Geldwert auf dem Kunstmarkt.

Für die Schießbilder „Tir“ aus den 1960ern feuerte die Künstlerin mit einem Gewehr auf zuvor mit Farbblasen gefüllte Gipsskulpturen, in die mitunter Politiker-Gesichter eingearbeitet waren, und brachte sie damit regelrecht zum Bluten – ein Anti-Waffen Happening. Zuschauer*innen waren eingeladen, selbst das Gewehr in die Hand zu nehmen. Die Ausstellung in der Schirn setzt diese Werkreihe bewusst an den Anfang des Rundgangs – auch um die gewohnte Sichtweise und Rezeption von Niki de Saint Phalle zu durchbrechen.

Denn am bekanntesten sind ihre Nana-Plastiken: Bunt bemalte, mit vollen, weiblichen Formen ausgestattete Figuren, die Lebensfreude und Stärke ausstrahlen und mitunter bis zur Größe von Häusern erreichten; zum Beispiel „Hon – En Kathedral“ („Sie – eine Kathedrale“), eine überdimensionale, begehbare Nana, die für das Stockholmer Moderna Museet entstand. Durch die Vagina der Figur gelangte man ins Innere, in der sich ein kompletter Vergnügungspark für Erwachsene befand – inklusive Kino, Bar und Ausstellungsräumen.

Foto: Norbert Miguletz

Foto: 2023 Niki Charitable Art Foundation / Adagp, Paris

Foto: 2023 Niki Charitable Art Foundation / Adagp, Paris

Die gesellschaftlichen und sozialen Fragen, die Niki de Saint Phalle von den 1960ern bis in die frühen 2000er umtrieben, sind bis heute aktuell: Sie kritisiert gesellschaftliche Konventionen und eingefahrene Rollenbilder, politische Themen wie Waffengesetze, den Klimawandel und die Stigmatisierung durch Aids und plädiert für eine freie Weiblichkeit und das Recht auf Abtreibung. Dabei blieb de Saint Phalle immer unabhängig, spielerisch-humorvoll und zugleich kritisch, behauptete sich als Frau in der männerdominierten Kunstszene und war selbst in der Wahl ihrer künstlerischen Mittel nicht festgelegt: Zeichnungen, Schriften, Großplastiken, aber auch Theaterstücke, Filme und Installationen gehören zum Schaffen der wichtigsten europäischen Vertreterin der Pop-Art, der man heute eine Pionierrolle in der Kunstgeschichte einräumt.

Die Schirn zeigt ab dem 3. Februar das vielfältige Oeuvre der französisch-amerikanischen Künstlerin in einer Ausstellung mit über 100 Arbeiten aus allen Werkphasen von den 1950er Jahren bis 2001. Den Audioguide hat die Sängerin Joy Denalane gesprochen.

3.2. bis 21.5., Schirn Kunsthalle, Römerberg, Frankfurt, www.schirn.de


Zur Eröffnung zeigt das Cinema Kino am Roßmarkt zwei Filme von Niki de Saint Phalle:

Am 3.2. um 18:30 Uhr den märchenartigen „Un rêve plus long que la nuit“ aus dem Jahr 1976 mit einer Einführung von Dr. Beate Kempfert, Direktorin der Kunst- und Kulturstiftung Opelvillen Rüsselsheim.

Am 4.2. um 12 Uhr „Daddy“ aus dem Jahr 1973, eine Abrechnung mit dem sexuellen Missbrauch, den Saint Phalle durch ihren Vater erlebte; Schirn-Kuratorin Katharina Dohm gibt eine Einführung

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