Plastik: Euphorie und Ernüchterung

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Foto: Estate of Craig Kauffman / VG Bild-Kunst, Bonn 2023

Die aktuelle Ausstellung in der Schirn präsentiert künstlerische Positionen rund um ein weltweit verbreitetes Material: Plastik.

Billig, synthetisch hergestellt und trotzdem oftmals Larger Than Life. In den 1950er Jahren als zukunftsweisende technische Entwicklung gefeiert, stehen heute vor allem die umweltschädlichen Auswirkungen von Plastikkonsum und Wegwerfkultur im Vordergrund. Das war für die Arbeit von Künstler*innen nicht anders: Löste das künstliche Material wegen der völlig neuen gestalterischen Möglichkeiten zunächst Euphorie und Experimentierfreude aus, beschäftigte man sich später ebenfalls mit den negativen Auswirkungen von Plastik.

Die Ausstellung zeigt beide Seiten. Der französische Bildhauer César kippte bei seinen Happenings der 1960er literweise Polyurethanschaum auf den Boden. Die Künstler*innen der italienischen Arte Povera der 1960er Jahre untersuchten das Verhältnis von Natur und Künstlichkeit; Piero Gilardi zeigt mit „Tappeti“ künstliche Nachbildungen der Natur, die täuschend echt wirken. Gino Marotta schuf mit „Eden Artificiale“ ein keimfreies, künstliches Paradies aus Acrylglas. Die Künstler des Nouveau Réalisme interessierten sich hingegen schon sehr früh für das, was vom gefeierten Material übrigbleibt: Müll, der nicht verrottet. Der deutsche Künstler Otto Peine schuf 1976 mit „Anemones“ eine schillernde Unterwasserwelt als begehbares Kunstwerk; für die Schirn-Ausstellung erlebt das Werk eine Neuauflage mit bitterem Beigeschmack: die seinerzeit als poetisch gelesene Arbeit wird heute vom Wissen über die Verschmutzung der Weltmeere durch Mikroplastik überlagert.

Foto: Jens Gerber (beschnitten)

Foto: VG Bild-Kunst, Bonn 2023

Foto: Peter Moore

Dass Plastik bis heute trotzdem nichts an Faszination verloren hat, zeigen die Arbeiten des Frankfurter Künstlerinnenkollektivs HazMatLab: Sandra Havlicek, Tina Kohlmann und Katharina Schücke experimentieren mit synthetischem Schleim, industriellen Nagellacken oder dem 3D-Druckverfahren; in der Schirn ist ihre Skulptur „Coral Cluster“ zu sehen, ein buntes Gebilde, das an Rauchwolken einer thermischen Explosion erinnert. Plastic Fantastic? Der Betrachter entscheidet!

Noch bis 1.10., Schirn, Römerberg, Frankfurt, www.schirn.de

Mittwochs und donnerstags „Late Night“ mit 2for1 ab 18 Uhr; an beiden Tagen ist die Schirn bis 22 Uhr geöffnet.

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